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und jede Union auch in der Abendmahlfeier zu vermeiden. Es kann das als gegen die Liebe verstoßend erscheinen, wenn wir erklären, wir können nur solche zum Tisch des Herrn zulassen, die mit uns eins sind in der Lehre; aber im Gegenteil, wir werden sagen dürfen, daß wahre Liebe das fordert. Die wahre Liebe gebietet es, andern zu zeigen, wie mangelhaft und unsicher ihre kirchliche Stellung sei und die Treue fordert von uns, daß wir das Bekenntnis festhalten, bewahren und es nicht als gleichgültig hinstellen lassen. Aber freilich, das erfordert die Liebe, daß wir in Treue arbeiten und beten für die Besserung des kirchlichen Standes, beten insbesondere, daß doch alle eins sein möchten, wie der Herr es gewollt hat. „Auf daß sie alle eins seien, gleichwie du Vater in mir und ich in dir“.

 Ja, wollen wir rechte Liebe üben, wie im engsten Kreis unserer Gemeinschaft, so die rechte treue Liebe üben in der weiteren kirchlichen Betätigung, auch auf dem besonderen Gebiet der kirchlichen Liebestätigkeit, von dem wir morgen noch reden wollen. Wir wollen dabei festhalten den Grundsatz, den der Apostel Johannes aussprach: „Lasset uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge, sondern mit der Tat und mit der Wahrheit.“

Ps. 87. Lied 317.





10. Stunde
am Mittwoch, den 29. November vormittags 9 Uhr.
Lied 320, 1. 4. 6. Psalm 80. Kollekte 222. 48.
Von der kirchlichen Liebestätigkeit.

 Was wir in diesen Einsegnungsvorträgen besprochen haben, gehört im Wesentlichen dem Gebiet der Glaubenslehre an; aber es mußte notwendig auch in das Gebiet übergreifen, das man die Sittenlehre zu nennen pflegt. Beide, Glaubens- und Sittenlehre sind zu unterscheiden, aber nicht voneinander zu trennen; ja, sie haben so viele Berührungspunkte, daß mancher theologische Lehrer ein einheitliches Lehrgebäude beider aufzurichten unternommen hat. Die Glaubenslehre oder die Dogmatik will sein die zusammenhängende, lehrweise Darstellung und Begründung alles dessen, was Gegenstand des christlichen Glaubens ist, also des gesamten Tatbestandes des Heils in Christo. Sie will zeigen, wie das Heil durch Christus geworden ist für die Welt, wie es durch den Geist zur