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treten muß – sichtbar werden im Staat. So standen die Väter der reformierten Kirche: Zwingli und Calvin. Das ist nach anderer Seite auch wieder Rückfall ins alte Testament, wenn man meint, in der gegenwärtigen Welt schon einen Gottesstaat einrichten zu können, wie Israel ein Gottesstaat sein sollte, aber nur vorbildlich. Noch hat die reformierte Kirche, denken wir an England, diesen Gedanken nicht ganz aufgegeben. Allerdings ist auf reformiertem Boden mehr der andere Gedanke herrschend geworden, daß die Kirche da sei, wo gläubige Kinder Gottes sich zusammenfinden. Das führt aber schließlich zur Sekte, zu der Behauptung, daß es Gemeinden von lauter Heiligen geben könne. Die beiden Abwege, der römische und der sektiererische, haben etwas Lockendes und Anziehendes. Die stolze Einheit der römischen Kirche, wo es nicht diesen Widerstreit der Richtungen und den steten kirchlichen Kampf gibt, hat es schon genug evangelischen Christen angetan. Dagegen bleiben wir beim Zeugnis der Augsburgischen Konfession im 7. Artikel, daß es nicht not ist zur wahren Einigkeit der Kirche, daß allenthalben gleichförmige Zeremonien, von Menschen eingesetzt, gehalten werden. Die wahre Einigkeit liegt tiefer: Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe. Noch anziehender für viele ist der sektiererische Gedanke einer Sammlung der Kinder Gottes, was schon Zinzendorf mit der Brüdergemeinde gewollt hat und was so viele sektiererische Richtungen auf ihre Fahne schreiben. Sie stellen die Behauptung auf: Da ist die Kirche, wo gläubige Kinder Gottes sich zusammenfinden, die sich als solche erkennen in ihrer Aussprache, in der Weise sich zu äußern und in Erzählung ihrer Erfahrungen. Wir erinnern dagegen an das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen, wo der Herr deutlich gesagt hat, daß die Kirche, solange sie der großen Vollendung entgegenreift, immer dem Acker gleichen wird, auf dem Unkraut und Weizen untermischt sind und es ist in der Kirche nicht möglich, was auf dem natürlichen Acker wohl möglich ist, Unkraut und Weizen zu scheiden vor der Ernte.

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 Worin besteht dann der Kirche sichtbare Erscheinung, was sind ihre Kennzeichen? Das sind die Gnadenmittel, Wort und Sakrament und darin bestätigt sich Luthers richtige Erkenntnis von der Bedeutung der Gnadenmittel. Wo sie gebraucht werden, da wirkt der heilige Geist, da ist der erhöhte Herr wirklich unter den Seinen gegenwärtig, da müssen auch wahre Gläubige sein. Ich glaube, daß überall, wo das Wort Gottes gepredigt wird und die Sakramente verwaltet werden, der heilige Geist wirksam ist und ich glaube, daß, wo der heilige Geist in Wort und Sakrament wirksam ist, daß da auch gläubige Christen sein müssen und wären es auch nur, wie Luther sagt, „die Kindlein in der Wiege“; denn es muß allezeit eine heilige christliche Kirche sein und bleiben. Damit ist die wahre Einheit der Kirche gewahrt. Bei diesem Kirchenbegriff ist