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Allianz. So hat sich auch neulich ein Mann geäußert, der in dem Kreis der Diakonissenhäuser mit Recht hoch angesehen ist, der frühere Leiter des Kaiserwerther Diakonissenhauses D. Zöllner, den man als lutherisch gesinnt innerhalb der Union anzusehen gewohnt war. Der hat in Verzweiflung über die gegenwärtige kirchliche Lage den Rat gegeben, es bleibe nichts anders übrig, als daß man innerhalb des Protestantismus die beiden Richtungen, die gläubige und die moderne mit gleichen Recht nebeneinander hergehen lasse, denn es sei unmöglich, die Modernen aus der Kirche hinauszudrängen. Wer so steht, verzichtet auf Ausgestaltung der sichtbaren Kirche und zieht sich lediglich auf die unsichtbare zurück. Dann ist die Kirche überhaupt nicht mehr da, denn sie ist keine Gemeinschaft des Glaubens und des Bekenntnisses mehr. Man kann vieles tragen an Mißständen, aber unter stetem Protest dagegen und mit der Einschränkung, daß man es nur solange tragen kann, als das Bekenntnis noch klar zu Recht besteht. Nein, die Kirche, die als Gemeinschaft des Glaubens gewiß unsichtbar ist, ist zugleich sichtbar. So sehen es die Apostel an, die den bestehenden vorhandenen Kirchen und Gemeinden Benennungen gaben, die nur der heiligen Kirche selber zustehen, wie denn der Apostel Paulus der Korinthischen Gemeinde, in der so viele Mängel waren, dennoch bezeugt und ihr entschieden ins Gewissen schreibt: „Ihr seid Gottes Ackerwerk, ihr seid Gottes Gebäu, der Tempel Gottes ist heilig, der seid ihr.“ Nicht um sie damit zu beruhigen, sondern um sie an ihre Pflicht zu erinnern, die Kirche so auszugestalten, daß sie ihres Namens würdig sei. Ja, die Kirche muß zugleich sichtbar sein, es muß gesagt werden können, wo sie auf Erden zu finden ist.

 Wo ist die Kirche auf Erden zu finden? Wo und wie tritt sie in die Sichtbarkeit? Die Römische Kirche sagt: „Da, wo unter dem Papst in Rom und unter den Bischöfen Christen zusammengefaßt sind, da ist die Kirche wahrhaftig.“ Sie wird als sichtbar angesehen, wie ein irdisches Königreich. Es ist dies ein Rückfall in das Alte Testament, ein Zurückgehen auf die Stufe der Vorbereitung, wo allerdings Israel in äußerer Volksgemeinschaft verbunden war. Aeußere Gleichheit erzielt die römische Kirche gewiß auf diesem Wege, vollständige Einheit und Gleichheit bis ins letzte, eine Sprache im Gottesdienst, dieselben Ordnungen; soweit die römische Kirche reicht, gebietet nur ein Wille. Aber freilich ist damit die Kirche zu einem weltlichen Reich herabgesunken. Welch weltlicher Mittel bedient sich die römische Kirche um ihre Einigung zu wahren, ja auch vor Anwendung von Gewalt, wo sie die Macht dazu hat, schreckt sie nicht zurück, wie man in der Inquisition erkennen kann, um die äußere Einigkeit zu erzwingen.

 Die reformierte Kirche sieht die Kirche wesentlich als unsichtbar an. Sie läßt sie etwa – da sie doch irgendwie in die Erscheinung