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heiligen Apostel, Johannes besonders, daß sie sich untereinander sollen liebhaben, nicht minder aber auch Petrus: Tut Ehre jedermann, habt die Brüder lieb, fürchtet Gott, ehret den König. Und in der 2. Epistel spricht er davon, daß man die brüderliche, dann auch die allgemeine Liebe betätigen soll. Und Paulus sagt: die brüderliche Liebe untereinander sei herzlich, es heißt geradezu sei zärtlich, so wie Verwandte sich untereinander liebhaben. Und noch in der Offenbarung macht im ersten der Sendschreiben, der Herr der Haupt- und Muttergemeinde Kleinasiens, die unter Johannes, des Jüngers der Liebe, Leitung stand, den Vorhalt: Ich habe wider dich, daß du die erste Liebe verläßest.

 So ist in der Kirche eine Liebesgemeinschaft vorhanden, so ist sie wirklich der schönste Liebesgedanke des Herrn. Es ist etwas Großes, Verbindung in der Liebe mit Christus dem himmlischen Haupt durch den heiligen Geist. Ja, wer Christus angehört, muß auch seiner Kirche angehören. Christus ist ein König und will nicht nur einzelne Gläubige haben, sondern ein zusammengehörendes Ganzes, ein Reich, eine Kirche. Und so ist auch engste Verbindung vorhanden untereinander. Innerhalb der Kirche soll ausgeglichen sein der soziale Unterschied, der sonst die Menschen voneinander scheidet. Hier ist nicht Mann noch Weib, nicht Sklave noch Freier, nicht Grieche noch Jude. Es sind ausgeglichen die Unterschiede von Raum und Zeit, denn mit allen Gläubigen überall wissen wir uns in Liebe verbunden, auch mit den Gläubigen aller Zeiten, auch mit denen, die schon zur Vollendung eingegangen sind. So kann die Kirche im Glaubensbekenntnis genannt werden, „eine heilige allgemeine und apostolische Kirche.“

 So wollen wir uns denn auch den hohen Gedanken der Kirche aufs neue einprägen. Wir wollen nicht vergessen, daß über der Kirche das Reich Gottes steht. Aber über dem weiteren Gedanken des Reiches Gottes wollen wir auch nicht vergessen, daß das Reich Gottes in der Gestalt der Kirche in der Gegenwart bestehen soll. Es gab und gibt engherzige Lutheraner, die über der Kirche den Reichsgottesgedanken allzusehr zurückgestellt haben. Als seinerzeit die Halle’schen Pietisten, die übrigens in ihrem damaligen Stande zweifellos auf dem Bekenntnis der lutherischen Kirche standen, das Missionswerk begannen, haben engherzige Lutheraner das für Schwärmerei gehalten, denn der Beruf dazu fehle. So haben manche, als der Gedanke der inneren Mission aufkam, mißtrauisch sich zurückgehalten und wir erkennen Löhes wahrhaft weiten ökumenischen Sinn, daß er die Bedeutung der Werke der inneren Mission, die zu seiner Zeit aufkam, erkannte und selbst übte in der rechten Weise, im Sinn der lutherischen Kirche. Aber noch mehr wird jetzt über dem Gedanken des Reiches Gottes oft vergessen, daß das Reich Gottes eben in Gestalt und Form der Kirche nach