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das Verlangen nach der Erlösung wecken sollte, d. h. die Erkenntnis der Sünde, – das muß es auch den Einzelnen sein. Für die Heilsordnung kommt das Gesetz freilich nur nach seinem bleibenden Inhalt in Betracht; das, was nur der Vorbereitungszeit angehörte, das fiel dahin. Rein vorbildliche in Beziehung auf den Kultus gestellte Gesetze und auch die einzelnen auf das bürgerliche Leben hinübergehenden Anordnungen kommen hier in Wegfall; das ist das Vorübergehende im Gesetz, das auch in seiner Tiefe erkannt sein will, da überall der Gedanke der göttlichen Heiligkeit zu runde liegt und die Aufforderung: „Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig, der Herr, euer Gott“ auch in den äußerlichsten Anordnungen zum Ausdruck kommt. Mit andern Worten: das Gesetz, als das ewigbleibende Sittengesetz, als der Ausdruck des unabänderlichen Willens Gottes an das Menschengeschlecht kommt hier in Betracht und darum muß das Gesetz, soll es wirklich etwas im Herzen wirken, sehr einheitlich gefaßt werden als das große Gebot: „Du sollst lieben Gott, deinen Herrn von ganzem Herzen, von ganzer Seele allen Kräften.“ Wenn dieser heilige Wille Gottes, daß wir schuldig sind Gott ganz und völlig anzugehören, ihn stets vor Augen zu haben, uns ins Herz und Gewissen hineingerufen wird, dann muß die Erkenntnis der Sünde dadurch in uns erweckt werden, die Erkenntnis, daß wir nicht getan haben, auch nicht einen Tag, auch nicht eine Stunde unseres Lebens, was Gott von uns fordert. Durchs Gesetz kommt also auch für den einzelnen die Erkenntnis der Sünde. Man kann zur Erkenntnis der Sünde durchs Gesetz gelangen, sagten wir schon, wenn man den ernsten Versuch macht, das Gesetz recht zu erfüllen; das ist der Weg, den Luther besonders geführt wurde. Wir brauchen diesen Umweg nicht zu machen, obwohl Christen auch im Stande der Heiligung immer wieder die gleiche Erfahrung machen müssen. Wir sollen uns ernstlich und aufrichtig prüfen nach dem Gesetz und uns fragen, ob wir diesen Willen Gottes recht erkannt und erfüllt haben. Das gewaltige „Du sollst“, das da an unser Herz und Gewissen herandringt, das soll zu Boden schlagen alle Liebe zu uns selber und alles Vertrauen auf uns selbst, das soll die eigene Gerechtigkeit darniederwerfen und in uns wirken Erkenntnis der Sünde, wahre Reue, daß wir die Liebe Gottes zu uns so wenig erkannt und gebraucht, vielmehr den beleidigt haben, der unser Vater, Herr und Schöpfer ist und daß wir unsern Heiland betrübt haben, der doch sein Blut an uns gewendet hat und daß wir des heiligen Geistes Wirken an uns so oft zunichte gemacht haben. Das kann im Herzen zustande bringen die wahre Reue. Und Buße tun heißt eben mit tiefer Reue erkennen, daß wir Sünder sind, und daraus erwacht dann und muß erwachen, wenn es aufrichtig ist, ein Verlangen nach Gnade und Vergebung und nur so kann der Glaube im Herzen erwachsen. Im Evangelium kommt dann die Botschaft von Christus