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16. Der Kuhhirt und die Spinnerin. Quelle: mündliche Überlieferung.

Der Kuhhirt ist eine Konstellation im Adler, die Spinnerin in der Leier. Der Himmelsfluß, durch den sie getrennt sind, ist die Milchstraße. Am 7. des 7. Monats ist das Fest der Vereinigung der beiden. Der Himmelsherr hat im ganzen neun Töchter, die in den neun Himmeln wohnen. Die älteste heiratete den Li Dsing (vgl. Notscha, Nr. 18), die zweite ist die Mutter des Yang Oerlang (vgl. Nr. 17), die dritte gebar den Jahresstern (Jupiter [vgl. Morgenhimmel, Nr. 37]), die vierte lebte mit einem frommen und fleißigen Gelehrten, namens Dung Yung, zusammen, dem sie zu Reichtum und Ehren verhalf. Die siebente ist die Spinnerin, die neunte mußte zur Strafe für ein Vergehen als Sklavin auf Erden weilen. Von der fünften, sechsten und achten ist nichts Näheres bekannt.

17. Yang Oerlang. Quelle: vgl. das Fong Schen Yän Yi und das Si Yu Gi (vgl. Nr. 100).

Yang Oerlang ist ein Jäger, vgl. den Falken und den Hund, die er bei sich hat. Der Himmelhund, wörtlich der götterbeißende Hund, erinnert an Indras Hund. Der Gott kommt auch in Betracht als Bändiger der Tiergeister des „Pflaumenbergs“, vgl. Fong Schen Yän Yi, wo die Geschichte ausführlich erzählt wird. Die Vorstellung, daß ursprünglich 10 Sonnen am Himmel gestanden, von denen 9 durch einen Schützen heruntergeschossen seien, wird auch in die Zeit des Herrschers Yau verlegt. Der Schütze heißt dort Hou I oder I, vgl. Nr. 19. Hier ist statt des Schießens das Titanenmotiv mit den Bergen genannt.

„Regenwurm“. Das Surren der Maulwurfsgrille gilt in China für die Stimme des Regenwurms.

18. Notscha. Quellen: Fong Schen Yän Yi, Si Yu Gi (vgl. Nr. 100).

Die älteste Tochter des Himmelsherrn: vgl. Anm. zu Nr. 16. Im Fong Schen Yän Yi wird als Geschlechtsname der Mutter des Notscha Yin angegeben.

Li Dsing, der pagodentragende Himmelskönig, dürfte wohl auf den Donner- und Blitzgott Indra zurückgehen. Die Pagode wäre danach ein Mißverständnis für den Donnerkeil Vadjra. Dann wäre Notscha eine Personifikation des Donners, vgl. die indische Mythe, nach der Indra-Vadjrapani von seinem jüngsten Bruder verfolgt wird. Der goldene Reif ist das Tschakrarad.

Der Große Eine, Tai I, ist der Zustand der Dinge vor der Trennung in männliches und weibliches Prinzip. Der Uranfang ist eine noch weiter zurückliegende Daseinsstufe in ihrer Personifikation. Im Fong Schen Yän Yi ist eine ganze Genealogie der mythischen Heiligen des Taoismus gegeben, die sich an den Kämpfen zwischen dem König Mu von Dschou und dem Tyrannen Dschou Sin beteiligt haben. Diese Heiligen sind zum großen Teil aus buddhistisch-brahmanischen Gestalten umgebildet. Der Große Eine ist im Fong Schen Yän Yi zugleich mit der Person des alten Kaisers Tschong Tang identisch.

Empfohlene Zitierweise:
Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 389. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_389.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)