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der reinsten Kraft von Himmel und Erde und Sonne und Mond. Er hat geheimen Sinn erlangt und ist ein Unsterblicher geworden. Gedenket, Herr, an Eure große Liebe zu allen Lebenden und verzeiht ihm seine Sünde! Erlasset einen Befehl, daß er in den Himmel heraufberufen wird und hier ein Amt übernehme, damit er zur Besinnung kommt. Wenn er abermals Eure Gebote übertritt, so mag er unbarmherzig Strafe erdulden.“ Der Herr des Himmels wars zufrieden. Er ließ einen Befehl ausfertigen und befahl dem Abendstern, ihn zu überbringen. Der Abendstern bestieg eine farbige Wolke und ließ sich darauf zum Berg der Blumen und Früchte nieder.

Er begrüßte den Sun Wu Kung und sprach zu ihm: „Der Herr hat von deinen Taten gehört und wollte dich bestrafen. Ich bin der Abendstern am westlichen Himmel und trat für dich ein. Darum hat er mich beauftragt, dich in den Himmel zu holen, um dir ein Amt zu übertragen.“

Sun Wu Kung war hocherfreut und sprach: „Ich hab mirs gerade überlegt, daß ich auch mal einen Besuch im Himmel machen wolle, und richtig seid Ihr nun gekommen, alter Stern, um mich zu holen.“

Dann ließ er seine vier Paviane vor sich kommen und schärfte ihnen ein: „Gebt mir gut acht auf unsern Berg! Ich geh jetzt in den Himmel, um mich dort ein bißchen umzusehen.“

Dann bestieg er mit dem Abendstern die Wolke und schwebte empor. Er machte aber seinen Purzelbaum und kam so rasch voran, daß der Abendstern auf seiner Wolke zurückblieb. Schon war er am südlichen Himmelstor und trat mit lässigen Schritten ein. Der Torwart wollte ihn abhalten; aber er ließ sich nichts gefallen. Mitten in ihrem Wortwechsel kam der Abendstern heran und klärte die Sache auf, und man ließ ihn zum Himmelstor hinein. Als er vor das Schloß des Himmelsherrn kam, blieb er aufrechtstehen, ohne sich zu verneigen.

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 368. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_368.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)