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seinen Affen, daß er hingehen wolle, um Götter und heilige Geister zu suchen und von ihnen den Weg der Unsterblichkeit zu lernen. Die Affen schleppten Pfirsiche und andere Früchte und süßen Wein herbei, das Abschiedsmahl zu feiern, und sie betranken sich noch einmal miteinander nach Herzenslust.

Am andern Morgen stand der schöne Affenkönig in aller Frühe auf, machte sich ein Floß zurecht aus alten Kiefern und nahm einen Bambusstab zur Ruderstange. Ganz allein bestieg er das Floß und ruderte durch das große Meer. Wind und Wellen waren günstig, und er kam nach Asien. Dort stieg er ans Land. Da traf er am Ufer einen Mann, der Fische fing. Er ging auf ihn zu, schlug ihn zu Boden, riß ihm die Kleider ab und zog sie selber an. Dann wanderte er umher und besuchte alle berühmten Orte, ging in die Märkte, die dichtbevölkerten Städte, lernte Anstandsregeln, lernte sprechen und benahm sich wie ein gebildeter Mensch. Doch war er im Herzen darauf gerichtet, die Lehre der Buddhas, der Seligen und der heiligen Götter zu erfragen. Aber die Leute in diesem Land waren nur auf Ehre und Reichtum aus. Keinem einzigen war es um das Leben zu tun. So trieb er sich denn umher, und unvermerkt vergingen neun Jahre. Da kam er an den Strand des Westmeeres, und es fiel ihm ein: Jenseit des Meeres, da gibt es wohl sicher Götter und Heilige. So machte er sich denn wieder ein Floß zurecht, trieb über das Westmeer und kam in das Land des Westens. Dort ließ er das Floß schwimmen und stieg ans Ufer. Viele Tage hatte er mit Suchen zugebracht, als er plötzlich einen hohen Berg mit stillen, tiefen Tälern erblickte. Der Affenkönig stieg hinan, da hörte er im Walde einen Menschen singen, und der Gesang klang wie ein Lied von seligen Geistern. Eilig drang er in den Wald ein, um zu sehen, wer es wäre. Er traf einen Holzhacker bei der Arbeit. Der Affenkönig verneigte sich vor ihm und sprach: „Ehrwürdiger, göttlicher Meister, ich falle anbetend vor Euch

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 353. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_353.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)