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94. Die schöne Giauna

Es war einmal ein Nachkomme des Konfuzius. Dessen Vater hatte einen Freund, der im Süden Beamter war und den jungen Mann als Sekretär anstellte. Als er aber an dem Orte seines Wirkens ankam, da war der Freund des Vaters schon gestorben. Er war nun in großer Verlegenheit, da er nicht die Mittel hatte, um wieder heim zu reisen. So suchte er denn zunächst eine Unterkunft in dem Kloster Puto, wo er für den Abt heilige Bücher abschrieb.

Etwa hundert Schritte westlich von dem Kloster steht ein verlassenes Haus. Eines Tages war großer Schnee gefallen, und als der junge Kung zufällig an der Tür jenes Hauses vorbeikam, da sah er einen Jüngling, gut gekleidet und von hübschem Aussehen. Der machte ihm eine Verbeugung und bat ihn, näher zu treten. Der junge Kung war ein Gelehrter und hatte Sinn für Feinheit des Auftretens. Als er nun in dem Jüngling einen gleichgesinnten Genossen fand, da gewann er ihn lieb und folgte ihm in das Haus. Die Wohnung war ausnehmend reinlich gehalten. Seidene Vorhänge hingen an den Türen, und an den Wänden waren Bilder guter alter Meister. Auf dem Tisch lag ein Buch, das hatte den Titel: „Geschichten des Korallenrings“. Korallenring war der Name einer Höhle.

Einst war ein Mönch von Puto, der war überaus gelehrt. Er war von einem Greis in die Höhle geführt worden. Da sah er auf den Büchergestellen eine Menge Bücher. Der Greis sagte: „Das ist die Geschichte der verschiedenen Dynastien.“ In einem zweiten Raum war die Geschichte sämtlicher Völker der Erde. Ein dritter Raum war von zwei Hunden bewacht. Der Greis erklärte: „In diesem Räume sind geheime Berichte der Unsterblichen über die Art, wie sie das ewige Leben erlangt haben. Die beiden

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 298. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_298.jpg&oldid=- (Version vom 30.5.2018)