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du vergaßest deine Gattenpflicht und stießest mich in den Fluß. Zum Glück habe ich da meinen lieben Pflegevater gefunden, der mich herausgezogen, und an Kindes Statt angenommen hat. Sonst hätte ich mein Grab gefunden im Bauch der Fische. Wie konntest du das nur über dich bringen! Und wie kann ich es mit meiner Ehre vereinigen, nun wieder mit dir zusammen zu leben?“

Mit diesen Worten fing sie laut zu heulen an, und einen hartherzigen Schurken nach dem andern warf sie ihm an den Kopf.

Mosü lag in sprachloser Beschämung vor ihr auf den Knien und flehte sie um Verzeihung an.

Als nun Herr Hü bemerkte, daß Goldtöchterchen sich durch Schimpfen genügend Luft gemacht hatte, da half er ihm auf die Beine und redete ihm zu: „Mein lieber Schwiegersohn, wenn du deine Schuld bereust, so wird Goldtöchterchen allmählich auch zu zürnen aufhören. Ihr seid ja wohl ein altes Ehepaar. Aber ihr habt heute in meinem Hause aufs neue einen Ehebund geschlossen, so tut mir den Gefallen und höret, was ich sage. Mosü, du hast eine schwere Schuld auf dich geladen; darum mußt du es deiner Frau nicht übelnehmen; wenn sie etwas ungehalten ist, sondern Geduld mit ihr haben. Ich will meine Frau rufen, damit sie zwischen euch Frieden stiftet.“

Mit diesen Worten ging Herr Hü hinaus und schickte seine Frau, der es endlich mit vieler Mühe gelang, die beiden wieder zu versöhnen, so daß sie aufs neue den Ehebund zusammen schlossen.

Und sie hielten einander lieb und wert, noch einmal so sehr als vorher. Alles war eine Glückseligkeit und Freude. Und als Herr Hü und seine Frau später starben, da trauerten sie um sie wie um ihre leiblichen Eltern.

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 297. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_297.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)