Seite:Wilhelm ChinVolksm 267.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

hohen Sinns und mischten sich nicht leicht in Weltgeschäfte ein. Die zweite Art, das waren die Schwerthelden. Sie pflegten die Ungerechten zu töten und den Bedrängten zu Hilfe zu kommen. Sie trugen einen Dolch an ihrer Seite verborgen und hatten eine Ledertasche um. Durch Zaubermittel vermochten sie Menschenköpfe in Wasser zu verwandeln. Sie flogen über die Dächer und gingen an den Wänden auf und ab. Spurlos kamen und gingen sie. Die unterste Art, das waren Mörder. Sie ließen sich dingen, wenn einer sich an seinen Feinden rächen wollte. Der Tod war ihnen etwas Alltägliches.

Der alte Drachenbart war wohl mitten inne zwischen der ersten und zweiten Art. Der Molo aber, von dem eine andere Geschichte erzählt, war einer der Schwerthelden.

Es lebte zu jener Zeit ein junger Mann namens Tsui. Sein Vater war ein hoher Beamter und Freund eines Fürsten. Der Vater sandte einst seinen Sohn, um seinen Freund, der krank war, zu besuchen. Der Sohn war jung und schön und wohlbegabt. Er ging hin, seines Vaters Befehle auszurichten. Als er in das Haus kam, da standen drei schöne Sklavinnen, die auf goldne Schalen rote Pfirsiche häuften, sie mit Zuckerwasser übergössen und ihm darreichten. Als er gegessen hatte, verabschiedete er sich, und der vornehme Gastfreund befahl einer Sklavin mit Namen Rosenrot, ihn zum Hofe hinauszugeleiten. Beim Gehen sah sich der junge Mann fortwährend nach ihr um. Sie blinzelte ihn lächelnd an und machte ihm mit der Hand Zeichen. Erst streckte sie drei Finger aus, dann drehte sie dreimal die Hand um, und endlich wies sie auf einen kleinen Spiegel, den sie vorn auf der Brust trug. Beim Abschied flüsterte sie ihm noch zu: „Vergiß mein nicht!“

Als er heim kam, da war all sein Sinnen und Denken in Verwirrung. Geistesabwesend saß er da wie ein hölzerner Hahn. Er hatte einen alten Knecht namens Molo, das war ein außergewöhnlicher Mensch.

„Was fehlt Euch, Herr,“ sprach er zu ihm, „daß Ihr so

Empfohlene Zitierweise:
Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 267. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_267.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)