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dumpfem Klang zur Erde fielen. Dschu und seine Bande liefen vor Schreck davon nach allen Richtungen. – Als sie am andern Tag wiederkamen, um nachzuschauen, da war nirgends ein Brunnen zu sehen.

Im Kloster der Stille fehlte ein Bonze. Alle wußten, daß Dschu ihn gerufen hatte. So verklagten sie den Dschu beim Richter. Dschu verlor bei dem Handel sein ganzes Vermögen und hängte sich schließlich im Kerker auf.


73. Go Schu Han

Zur Zeit der Tang-Kaiser lebte ein großer Feldherr namens Go Schu Han. Der wohnte in jungen Jahren in Sianfu. Seine Frau war an einer Krankheit gestorben. Da er sie aber sehr lieb gehabt hatte, stellte er den Sarg in das Westgemach, und da er sich nicht von ihr trennen konnte, schlief er in demselben Raum. Um Mitternacht schien der Mond zum Fenster herein, daß der Boden schneeweiß glänzte. Go Schu Han lag seufzend auf seinem Bett und konnte nicht schlafen.

Plötzlich ward die Tür aufgestoßen, und ein Ungetüm kam herein; das war ein Oger. Es war über zehn Fuß hoch, hatte Hosen an von Leopardenfell, Sägezähne und fliegende Haare. Ihm auf dem Fuße folgten drei Teufel. Sie trugen Perlenketten und tanzten im Mondschein.

Sie sprachen also zu einander: „Der auf dem Bett dort liegt, wird ein berühmter Mann, was ist zu tun?“

Der zweite sprach: „Er schläft schon.“

Darauf packten sie den Sarg und trugen ihn in den Hof hinaus. Sie schlugen ihn mit den Händen auf, nahmen den Leichnam heraus und zerrissen ihn. Dann setzten sie sich im Kreis umher und begannen, ihn aufzufressen. Das Blut spritzte den ganzen Boden voll, und die Seidenkleider flogen in Fetzen herum.

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 214. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_214.jpg&oldid=- (Version vom 29.5.2018)