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„Wenn es so ist,“ fragte man weiter, „warum hast du dann den Namen jenes berühmten Doktors angenommen?“

„Euer Hausgeistchen hielt die Beschwörung in der Hand und suchte nach einem Geist. Es getraute sich aber nicht, von droben wirkliche Heilige zu bitten. Es holte immer nur einen von uns dreizehn. Da von uns allen aber nur ich allein ein wenig schreiben kann, so machte ich mich frei, um euren Wünschen zu entsprechen. Wenn ich aber meinen wirklichen Namen Li Be-Niän genannt hätte, hättet ihr mich dann etwa so geehrt? Nun sah ich, daß hier am Ort viele Familien jenen Doktor gebeten hatten, Inschriften für sie zu schreiben; daher wußte ich, daß es ein berühmter Mann war, so kam ich denn unter seinem Namen.“

„Wenn euresgleichen nicht gebunden sind,“ fragte man, „warum kehrst du denn dann nicht nach Schantung zurück?“

„An den Pässen, Furten und Brücken sind überall Geister. Wenn man denen kein Geld gibt, lassen sie einen nicht durch.“

„Wenn ich dir hundert Papiergeldstücke verbrenne, daß du heim kannst, ist dir das recht?“

„Ja, ja, vielen Dank! Aber wenn Ihr mir eine Gunst bezeugen wollt, so brauche ich noch weitere hundert Geldstücke, damit ich den Brückengeist, bei dem ich gewohnt, abzahlen kann; sonst komme ich immer noch nicht im Guten fort.“

So verbrannte der Mann Papiergeld, um dem Geiste das Geleite zu geben. Er hat aber seitdem keine Geister mehr gerufen.

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 196. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_196.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)