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den Lehmkindern eines heraus und binden ihm einen roten Faden um den Hals, brechen wohl auch im geheimen ein Stückchen von seinem Leibe ab, lösen es in Wasser auf und trinken es. Dann beten sie im stillen, daß das Kind zu ihnen kommen möge.

Hinter dem Tempel ist eine große Höhle, da gab es in früheren Zeiten sprechende Füchse. Sie kamen auch wohl heraus und setzten sich auf die Spitze eines steilen Felsens am Wege. Kam ein Wanderer vorbei, so fingen sie etwa an: „Nachbar, halt ein wenig; rauch erst eine Pfeife!“ Die Wanderer sahen sich verwundert um, woher der Laut käme, und gerieten in großen Schrecken. Waren sie nicht besonders beherzt, so brach ihnen der Angstschweiß aus, und sie liefen davon. Dann lachte der Fuchs: „Hihi!“

Am Berghang pflügte einst ein Bauer. Als er aufblickte, sah er einen Menschen im Strohhut und Grasmantel mit einer Hacke auf der Schulter herbeikommen.

„Nachbar Wang,“ sagte er, „rauche erst ein Pfeifchen und ruh dich ein bißchen aus! Ich helf dir dann beim Pflügen.“

Dann rief er: „Hü!“ wie’s die Bauern tun, wenn sie mit ihren Rindern sprechen.

Der Bauer sah genauer zu, da merkte er, daß es ein sprechender Fuchs war. Er wartete einen günstigen Augenblick ab, dann gab er ihm einen derben Schlag mit der Ochsenpeitsche. Er traf ihn gut. Der Fuchs schrie auf, machte einen Luftsprung und lief davon. Strohhut, Grasmantel und alles ließ er liegen. Wie der Bauer zusah, da war der Strohhut aus Kartoffelblättern geflochten. Er hatte ihn mit der Peitsche entzweigeschlagen. Der Grasmantel war aus Eichenblättern gemacht, die mit dünnen Gräschen verbunden waren. Die Hacke aber war ein Kauliangstengel, an dem ein Ziegelstück befestigt war.

Nach einiger Zeit ward eine Frau im Nachbardorf besessen. Man hängte ein Bild des Taoistenpapstes auf; aber der Geist entfernte sich nicht. Da kein Teufelsbeschwörer

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 182. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_182.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)