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Kommt ihr aus dem Schloß der Mondfee oder von der Nephritquelle der Königin-Mutter des Westens?“

„Wie könnten wir uns so hoher Abkunft rühmen“, sprach lächelnd ein Mädchen in grünem Gewande. „Ich heiße Salix.“ Dann stellte sie eine andere, weißgekleidete vor und sagte: „Das ist Fräulein Prunophora“, dann eine rosagekleidete: „und diese hier ist Persica“, schließlich eine in tiefrotem Gewande: „und das ist Punica. Wir alle sind Schwestern und wollen heute die achtzehn Zephirtanten besuchen. Heute abend scheint der Mond so schön, und es ist so reizend hier im Garten. Wir sind recht dankbar, daß du dich unser angenommen hast.“

„Ja, ja“, sagte der Gelehrte.

Da meldete plötzlich die dunkel gekleidete Dienerin: „Die Zephirtanten sind auch schon gekommen.“

Sogleich standen die Mädchen auf und gingen ihnen an die Tür entgegen.

„Eben wollten wir die Tanten besuchen“, sagten sie lächelnd. „Der Herr hier hat uns ein wenig zum Sitzen eingeladen. Wie hübsch trifft es sich, daß die Tanten nun auch hierher kommen. Es ist heute so eine schöne Nacht, da müssen wir einen Becher auf das Wohl der Tanten leeren.“

Darauf befahlen sie der Dienerin, die Geräte herbeizubringen.

„Kann man sich hier setzen?“ fragten die Tanten.

„Der Hausherr ist sehr gut,“ erwiderten die Mädchen, „und der Ort ist still und verborgen.“

Darauf stellten sie ihnen den Gelehrten vor. Er redete mit den achtzehn Tanten ein paar freundliche Worte. Sie hatten etwas Unbeständiges und Luftiges in ihrem Wesen. Ihre Worte sprudelten sie nur so heraus, und in ihrer Nähe fühlte man einen fröstelnden Hauch.

Unterdes hatte die Dienerin schon Tisch und Stühle herbeigebracht. Die achtzehn Tanten saßen obenan, die Mädchen folgten, und der Gelehrte setzte sich zu ihnen auf

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_129.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)