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Der Teufel sprach: „Sie müssen durch verschiedene Höllen gehen und werden schließlich als Tiere wieder geboren. Die ihren Eltern ungehorsam waren, die ihre Brüder im Stiche ließen, die Geld und Gut liebten, die ihre eigenen Frauen und Kinder unrechtmäßig begünstigten, werden entsprechend der Schwere ihrer Schuld bestraft; es gibt keine eigene Hölle für sie. Aber da ist noch eine für solche, die andere um Geld und Gut gebracht und als Beamte das Fett des Volkes gefressen haben. Denen wird geschmolzenes Kupfer in den Magen und in die Gedärme gegossen, auch zieht man ihnen etwa die Haut ab.“

Hu Di trat wieder vor den Höllenkönig.

„Und bist du nun zufrieden?“ sprach der König. „Du wirst nicht mehr sagen können, daß es keine Vergeltung gebe.“

Darauf ließ er durch den Richter das Lebensalter des Hu Di nachschlagen.

Der sprach: „Mit achtzig Jahren wird er ohne Krankheit sterben, nachdem er es zum Kreishauptmann gebracht.“

Darauf nahm er ein Losstäbchen, schrieb einen Vermerk darauf mit roter Farbe und befahl, ihn wieder auf die Oberwelt zurückzubringen. Da kamen zwei Teufel und nahmen ihn mit sich. Sie fuhren dahin wie ein Sturmwind, und ehe er sichs versah, waren sie an seinem Hause angelangt. Seine ganze Familie stand im Kreise umher und weinte. Ein Mann aber lag mit dem Gesicht nach oben auf dem Bett, und wie er hinsah, war es sein eigener Leichnam. Da versetzten ihm die Teufel einen kräftigen Stoß, und schon schlug er die Augen auf und kam wieder zu sich.

Zwei Tage hatte er tot dagelegen. Als seine Leute von dem Ereignis im Tempel des Höllenfürsten gehört hatten, hatten sie ihn nach Hause geschafft. Weil aber in seiner Herzgrube noch ein wenig Wärme zu spüren war, war er noch nicht eingesargt worden. Nun aber wurde er wieder lebendig, und er erzählte die Geschichte, die hier aufgeschrieben ist.

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_125.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)