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Mit diesen Worten nahm ihn der Teufel am Arm und wandelte auf dem Wasser zum jenseitigen Ufer hinüber.

Als Hu Di den Höllenfluß überschritten hatte, da erblickte er ein Dorf, aus dem mehrere Dutzend böse Hunde hervorkamen, die ihn unter wildem Bellen umringten, ihn in die Beine bissen und ihm die Kleider zerrissen. Erst als der Teufel sie mit aller Kraft verscheuchte, blieben sie zurück.

Dann sagte er zu ihm: „Das ist das Böse-Hunde-Dorf.“

Wieder gingen sie einige Meilen weit, da sah er eine Stadt mit hohen Toren und Türmen; darauf stand geschrieben: die Totenstadt.

Der Teufel sprach: „Nun sind wir da.“

Sie gingen in die Stadt und kamen an ein Amtsgebäude. Da waren Knechte und Torhüter, gerade wie in der Menschenwelt. Verbrecher in Fesseln und Banden wurden zitternd und bebend hineingeschleppt und kamen heulend und zähneklappernd wieder heraus in zahllosen Scharen. Die teuflischen Amtsdiener übten Erpressungen und ergingen sich in allerlei Quälereien, gerade wie sie es auch in der Menschenwelt machen.

Der Teufel, der den Hu Di anbrachte, ging mit seiner Tafel zuerst hinein.

Er selbst mußte lange warten, bis von drinnen der Ruf erscholl: „Der Hu soll kommen!“

Ein Teufel schleppte ihn hinein durch die erste Halle, die zweite Halle bis zur innern Halle. Dort hing eine große Tafel, auf der in roter Schrift geschrieben stand: Fünfter Höllenpalast. In der Halle saß ein König mit Fransenhut und einem Zepter in der Hand in dunkler Kleidung und mit roten, viereckigen Schuhen. Sein Angesicht war schwarz-violett und glänzend. Haar und Augenbrauen waren rot, und sein Schnurrbart hing wie lange Troddeln herunter. Er stützte sich auf seinen Tisch und saß aufgerichtet da. Zu seiner Rechten und Linken standen der Ochsenkopf und das Pferdegesicht auf ihre Lanzen gelehnt.

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_119.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)