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Dschuang Dsï aber hieß sie Wein herbeibringen und fing an zu trinken.

Die Frau gab ihm tausend gute Worte, denn sie wollte gerne bei ihm bleiben; aber Dschuang Dsï betrank sich und sang ein Liedchen:

„Nun bin ich aller Bürden ledig;
Du möchtest noch, ich laß es sein!
Würd ich mit dir zusammenbleiben,
Du schlügst mir noch den Schädel ein.“

Dann brach er in lautes Gelächter aus und sprach: „Ich will dir deinen neuen Gatten zeigen.“

Damit streckte er die Hand aus, und die Frau sah plötzlich den Prinzen und den Alten zur Tür hereinkommen. Sie erschrak heftig und blickte sich um, da war Dschuang Dsï verschwunden. Sie wandte abermals den Kopf, da waren der Prinz und sein Begleiter weg. Da merkte sie, daß Dschuang Dsï seine Zauberkünste habe spielen lassen, um sie auf der Tat zu ertappen. Vor Scham und Verzweiflung erhängte sie sich.

Da trommelte Dschuang Dsï auf einer Schüssel und sang:

„Sie hat mich wollen betrügen,
Ich war ihr zu gescheit.
Was nützt mir dann mein Rößlein,
Wenn drauf ein andrer reit’t?
Läg ich heut noch im Sarge,
Sie hätt’ einen andern gefreit.
Und ich wär mausetot –
Ach Jammers und ach Not!“

Damit verließ er sein Haus und wanderte in Muße. Er erlangte die Unsterblichkeit und verschwand.

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_101.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)