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erlangen oder Dämonen Menschen bedrücken, so bändigt er sie mit dem Falken und dem Hund.


18. Notscha

Die älteste Tochter des Himmelsherrn hatte den Feldherrn Li Dsing geheiratet. Ihre Söhne hießen Gintscha, Mutscha und Notscha. Mit der Geburt des Notscha verhielt es sich aber also: Drei Jahre und sechs Monate war seine Mutter guter Hoffnung. Da träumte ihr bei Nacht, daß ein Taoist zu ihr ins Zimmer kam. Erzürnt wies sie ihn hinaus. Er aber sprach: „Schnell empfange den göttlichen Sohn!“ Damit tat er eine leuchtende Perle in ihren Leib. Die Frau erschrak darüber so sehr, daß sie erwachte. Sie gebar nun eine Kugel aus Fleisch, die sich kreisend drehte wie ein Rad, und das ganze Zimmer erfüllte sich mit seltsamen Düften und rotem Licht.

Li Dsing erschrak sehr und hielt es für einen Spuk. Er schlug mit seinem Schwert die Kugel entzwei, da sprang ein kleiner Knabe daraus hervor, der leuchtete am ganzen Leib in rotem Glanz. Sein Gesicht aber war zart und weiß wie Schnee. Am rechten Arm trug er einen goldenen Reif, und um die Hüften hatte er ein Stück rote Seide gewunden, dessen gleißender Schein die Augen blendete. Als Li Dsing das Kind sah, erbarmte er sich seiner und tötete es nicht. Sein Weib aber faßte eine große Liebe zu dem Knaben.

Nachdem drei Tage um waren, kamen die Freunde alle, um Glück zu wünschen. Sie saßen eben beim Mahle, als ein Taoist eintrat, der sprach: „Ich bin der Große Eine. Dieser Knabe ist die lichte Perle des Uranfangs, dir zum Sohne verliehen. Doch ist der Knabe wild und ungebärdig und wird viele Menschen töten. Darum will ich ihn zum Schüler nehmen, um seine wilde Art zu sänftigen.“ Li

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_037.jpg&oldid=- (Version vom 29.5.2018)