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Schätze her hätten. Da erzählten der Vater und die Töchter alles, und sie wurden eine sehr reiche Familie und lebten glücklich bis an ihr Ende.


9. Der Panther

Es war einmal eine Witwe, die hatte zwei Töchter und einen kleinen Sohn.

Eines Tages sagte die Mutter zu den Töchtern: „Verwahrt mir das Haus gut! Ich will zur Großmutter gehen mit eurem kleinen Bruder.“

Die Töchter versprachen es. Dann ging die Mutter weg. Unterwegs begegnete ihr ein Panther und fragte, wohin sie gehe.

Sie sprach: „Ich will mit meinem Kind zu meiner Mutter gehen.“

„Willst du nicht ein bißchen ausruhen?“ fragte der Panther.

„Nein“, sprach sie, „es ist schon spät, und der Weg ist weit zu meiner Mutter.“

Aber der Panther ließ nicht ab, ihr zuzureden, und schließlich gab sie nach und setzte sich am Rand des Weges[1] nieder.

„Ich will dir deine Haare ein bißchen kämmen“, sprach der Panther.

So ließ sich die Frau vom Panther die Haare kämmen. Wie er ihr aber mit seinen Krallen durch die Haare fuhr, da riß er ihr ein Stück Haut ab und fraß es.

„Halt!“ schrie die Frau. „Das tut weh, wie du mich kämmst!“

Aber der Panther riß ihr ein noch viel größeres Stück Haut ab. Nun wollte die Frau um Hilfe rufen. Da packte sie der Panther und fraß sie auf. Dann wandte er sich zu ihrem Söhnchen und biß es auch tot. Er zog die Kleider der Frau an und tat die Knochen des Kindes, die er noch nicht gefressen hatte, in ihren Korb.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Wege
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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_019.jpg&oldid=- (Version vom 29.5.2018)