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in dem Absterben mancher Modi, der meisten Präpositionen mit Dativ, dem Vordringen des Perfekts mit manchen bedenklichen Neubildungen, der Vermischung der genera verbi, den bedeutungslosen doppelkomponierten Verba und anderem von der Art mag man Verfall sehen. Aber dasselbe Bild zeigt uns die Geschichte jeder modernen Sprache. Auch unser Deutsch kann man gegenüber der mittelhochdeutschen Dichtersprache verfallen nennen, vom Englischen gar nicht zu reden. Allein wie hier gilt es auch für das hellenistische Griechisch, daß die formale Einbuße durch die Befähigung, alles sagen zu können, aufgewogen wird. Versuche doch einer, die Partien ins Attische zu übersetzen, in denen Strabon die physische Geographie behandelt. So lange eine Sprache lebt, muß sie sich wandeln, und wenn die Schriftsprache sich auch lange hält, wird neben ihr eine gebildete Umgangssprache entstehen, wie der Engländer sein colloquial English unterscheidet und ein hochgebildeter Italiener mir gesagt hat, daß sie alle zwei Sprachen nebeneinander brauchten. Allmählich dringt dann mehr und mehr von der gesprochenen Rede in die Schriftsprache ein, und das scheint in dem hellenistischen Griechisch besonders rasch geschehen zu sein. Eben darum ist die sog. κοινή das Griechisch der drei hellenistischen Jahrhunderte, sobald man es nicht lediglich auf das Grammatische ansieht, gar keine Einheit, nicht nur weil es ganz verschiedene Stile umfaßt, auch wenn wir von der Poesie ganz absehen, sondern weil es sich in der langen Zeit verändert, geschrieben ebensowohl wie gesprochen.

Dieses Hellenistische zu erobern ist eine schwere und schöne Aufgabe, die sich neben die Eroberung der ionischen Literatursprache stellt. Beides wird sich berühren, denn