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Stile von dem Ionisch der jüngeren Hippokrateer nicht allzustark unterscheidet, so daß man den keineswegs schroffen Übergang gut beobachten kann[1]. Gegen 350 ist die Herrschaft des Attischen in der gesamten Literatur unbestritten (Nachzügler mit ionischen Büchern ändern daran nichts) und als Philippos von Makedonien in seiner Kanzlei attisch schreiben läßt und dazu gewiegte Literaten heranzieht, sind auch die spröden Kleinstaaten, die an ihrem Dialekt festzuhalten versuchen, gezwungen, die Sprache der Diplomatie anzuerkennen[2]. Für die Makedonen ist sich hellenisieren dasselbe wie Attisch lernen, und es kann gar nicht anders sein, als daß die Grammatisten aller Orten nun zugleich Lehrer des Attischen sind, d. h. der auf dem Attischen beruhenden panhellenischen Schriftsprache, und daß auch die Hellenen, die zu Hause noch ihre heimische Mundart sprachen, im mündlichen und schriftlichen Verkehr mit allen anderen Hellenen sich so gut es ging eben dieser Sprache bedienten. Die Rolle dieses Griechisch ist keine andere als die unseres Hochdeutsch. Selbst mit seiner epirotischen Mutter hat Alexander in dieser Sprache korrespondiert; sie haben seine und seiner Nachfolger Untertanen als die Herrensprache gehört und viele haben sie sprechen, manche schreiben gelernt, der Chaldäer Berosos und der Ägypter Manetho. Auch Karthager und Römer mußten die Weltsprache lernen: nur in ihr haben Hannibal und Scipio sich unterhalten können. Natürlich hat die

  1. In Fr. 31 Wellm. findet sich die Anrede τί ψής ὦ Ἱππόκρατες. Das weist auf eine höchst lebhafte Form der Polemik, zu der ich keine Parallele alter Zeit im Gedächtnis habe. An einen Dialog kann man doch nicht denken.
  2. In Syrakus schreibt Philistos attisch; aber es ist nicht wohl denkbar, daß Dionysios bereits das Attische in seiner diplomatischen Korrespondenz angewandt hätte. Er selbst beherrschte die Mundart so weit, daß er Tragödien dichten konnte. Leukon, der König des Kimmerischen Bosporus, schreibt an die Mytilenäer attisch, IG XII 2, 3.