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gemacht, z. B. das ει auch in Wörtern wie ἔτεισα, μείγνυσθαι, Φλειοῦς vertrieben, wo es berechtigt war. Auch auf die Aussprache wird der Grammatiker gehalten haben; es ist grundverkehrt, die gebildete Sprache nach dem Geschreibsel illiterater Papyri oder nach dem Böotischen zu beurteilen. Quintilian kennt das griechische y, mit dem οι erst ganz allmählich zusammenfällt, und η ist durchaus nicht i. Mit dem Verfall der Grammatik und der Schule, der seit dem 4. Jahrhundert zu bemerken ist, geht es rasch abwärts. Der Wortschatz erhielt sich viel besser, denn da gab es reiche Onomastika, wie sie seit Tryphon geschrieben wurden. Natürlich haben Halbgebildete wie der Astrologe Vettius Valens eine Menge Vulgarismen eingemischt, aber das Verhältnis ist doch ganz anders als in der hellenistischen Zeit, denn er möchte die gebildete Kunstsprache schreiben, er kann es nur nicht. Allein in den Reden Epiktets, wie sie der treue Arrian stenographiert hat, hören wir einigermaßen, wie damals ein gebildeter Mann im Leben sprach[1], im ganzen können wir die Umgangssprache, das colloquial Greek, der Kaiserzeit schlechterdings nirgend fassen[2], auch nicht in der nachpaulinischen Schriftstellerei der Christen. Da ist zunächst manches, das auf der Stufe des Vettius Valens steht, aber sobald gebildete Christen schreiben, folgen sie der Kunstsprache, und so ist die Kirche die Hüterin des Klassizismus geworden. Stilunterschiede gibt es natürlich.


  1. Origenes (Philokalie S. 71 Robinson) bezeugt, daß Epiktet eben wegen seiner Sprache viel weiter wirkte als Platon. Aus demselben Grunde ist das Neue Testament lebendig geblieben, als die großen Kirchenlehrer nur noch als Heilige verehrt wurden.
  2. Für spätere Zeit geben die griechisch-lateinischen, bisher kaum verwerteten Schulgespräche einiges aus, aber auch da mischt sich gewählte Rede ein. Der Statthalter, den man in gewöhnlicher Rede klassizistisch ἡγεμών nannte, heißt ὁ διέπων τὴν ἐπαρχίαν. Aus dem diokletianischen Edikt über die Maximalpreise lernt man zahlreiche Wörter kennen, die jeder täglich sprach, aber keiner schreiben durfte.