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und sie schwankte lange, was sie ihm antworten solle. Ihre Bedenklichkeiten mochten aber doch am Ende siegen, denn sie antwortete: Verzeihet mir, lieber Herr, wenn ich Euch Eure Frage nicht beantworten kann; wenigstens jetzt noch nicht. Geduldet Euch, wenn ich bitten darf; bis wir am Ziele meiner Reise sind.

Ihr trauet mir nicht! erwiederte Zurmühlen etwas empfindlich. Verkennet meine Lage nicht! entgegnete die Dame. Würdet Ihr anders handeln, wenn Ihr an meiner Stelle wäret; allein, mitten im Walde, unter unbekannten Menschen, und eben noch kaum einem gefährlichen Abentheuer entronnen?

Zurmühlen antwortete nicht. Es ist freylich eine schlimme Zeit! sprach er nur leise, wie für sich; dann ritten sie schweigend neben einander.

Länger als eine Viertelstunde konnten sie noch nicht geritten seyn, als sie auf einmal, jedoch noch in ziemlicher Entfernung, Rufen und Waffengetöse zu vernehmen glaubten; es kam von der Gegend her, nach welcher die Kaufleute gezogen waren. Zurmühlen hielt sein Pferd an und horchte, als er es vernahm; auch die Dame lauschte, und Beyde wurden bald unruhig, als das Geräusch, anstatt nachzulassen, mit jedem Augenblicke zu wachsen schien, ohne gleichwohl näher zu kommen. Besonders wurde die Dame ängstlich. Sie lauschte mit vorgebogenem Körper, ganz Ohr und sah dann und wann, als wenn sie etwas auf dem, Herzen habe, und doch sich zu entdeckten fürchte, auf ihren Begleiter, der ebenfalls eine immer mehr in ihm aufsteigende Unruhe nicht verbergen konnte. Auf einmal aber schien sie einen Entschluß gefaßt zu haben.

Empfohlene Zitierweise:
H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_180.png&oldid=- (Version vom 23.2.2020)