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Freylich, nahm der alte Zurmühlen das Wort, das schwer zu begreifen. Aber nicht seine Gesinnungen und Neigungen allein, auch seine Schicksale machen den Menschen zu dem, was er wird. Dieser Burggraf ist ein edler Herr von Gesinnungen, und deshalb ist es unbegreiflich, wie er auf solch ein gemeines Gewerbe verfallen konnte. Aber, wenn wir seine Schicksale wüßten, die wie geheime Fäden, von unsichtbarer Hand gewoben, durch seine Entschlüsse und Handlungen sich durchziehen, so würden wir über ihn vielleicht nicht mehr im Dunkeln seyn. Wahrscheinlich würden wir ihn dann aber auch nicht verdammen. Ich kenne nur weniges aus seinem früheren Leben. Aber dieß Wenige schon erklärt mir Vieles an ihm.

Und das wäre? fragten Mehrere neugierig.

Doch Zurmühlen antwortete nicht. Horch! sagte er leise, und sein Blick starrte auf die Landstraße, die sie gekommen waren. Es schien Geräusch von daher zu kommen. Alle horchten gespannt; der kleine Crusemann leichenblaß, aber unbeweglich. Auf einmal kam ein Reuter, der in der Gegend, woher das Geräusch kam, Wache gestanden hatte, herangesprengt.

Zu Pferde! rief dieser. Der Wald dröhne von Pferdegetrappel, das sich von der Straße nahet, die wir zurückgelegt haben.

Ach Gott, meine Ahnung! rief der verzagte Rathsherr. Den ganzen Tag hat es mir in den Knochen gelegen, daß es heute nicht gut gehen würde!

Nur ruhig! befahl Zurmühlen, keine Klagen!

Doch jener jammerte weiter. Ihr habt gut sprechen! rief er; Ihr seyd Witwer, und habt kein Weib und keine Waisen, die um Euch jammern. Aber ich! –

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H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_168.png&oldid=- (Version vom 23.2.2020)