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1695 zuerst zwischen Leipzig und Dresden und dann nach und nach im ganzen Lande die ersten Wegweiser aufstellen; das waren viereckige Säulen aus Eichenholz, gelb und schwarz bestrichen, in den damaligen Landesfarben. Das Holz sollte aus den kurfürstlichen Wäldern frei entnommen werden, die übrigen Unkosten mußten die Gemeinden tragen und zwar als Gegenleistung für die ihnen dadurch geschaffene Erleichterung „in Ansehung dieselben dadurch des öfteren Wegweisens, der Miliz und Botenabschickung entnommen werden.“ – Freilich die Durchführung dieser nützlichen und doch so einfachen Einrichtung hatte mit gar großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die meisten Gemeinden zeigten sich höchst widerspenstig, die Beamten äußerst nachlässig. – Im Jahre 1722 wurden die Holzsäulen durch Steinsäulen ersetzt. Der Kurfürst ordnete an, nunmehr steinerne Meilensäulen aufzustellen. Es wurden große und kleine errichtet. Die großen Meilensäulen stellte man draußen vor den Toren der Städte auf. Sie hatten die Form von Obelisken und waren verzieret mit dem sächsischen-polnischen Wappen. Sie gaben die Namen aller Poststationen bis zur Landesgrenze oder auch bis zu den Hauptstädten an und enthielten die Angabe der Entfernungen, in Meilen und Stunden ausgedrückt. Außer den großen Meilensäulen gab es nun noch Halbe- und Viertelmeilensäulen. Der Vorzug dieser steinernen Meilensäulen war ein doppelter, sie waren dauerhafter und gaben die Entfernung recht genau an. Der damalige kurfürstliche Geograph, Land- und Grenz-Commissarius Adam Friedrich Zürner, hat das Verdienst, eine genaue Ausmessung erst ermöglicht und auch selbst durchgeführt zu haben. Nach vieljährigen Versuchen erfand er den nach ihm benannten „geometrischen Wagen“, dessen genaue Beschreibung und Abbildung noch aufbewahrt sind. (Schramm i. Saxonia monumentis viarum illust. 1727!) – Auch die Errichtung der neuen und wesentlich verbesserten Meilensäulen waren mit den unglaublichsten Schwierigkeiten verknüpft. In nicht weniger als 11 „Rescripten“ mußte der Kurfürst drei Jahre hindurch das Errichten dieser Säulen immer und immer wieder anbefehlen. Wiederholt wird die Saumseligkeit der Beamten gerügt, manche hatten die kurfürstlichen Befehle nicht einmal den Gemeinden bekannt gegeben. In einzelnen Gegenden war noch nicht eine einzige Säule aufgestellt worden. Hie und da wurden die errichteten Säulen von flegelhaften Menschen umgeworfen, zerschlagen, oder auch mit Kot verunreinigt, mit „Kugeln und Schrot wurde nach ihnen geschossen.“ Doch der energische Kurfürst ließ sich durch derartige Erfahrungen nicht davon abhalten, das Gewollte trotz aller Hindernisse durchzusetzen. Es wurde befohlen, die Arbeiten zu beschleunigen, und die Säumigen und Widerspenstigen hatten Strafe zu erwarten. Nach einigen Jahren waren in allen Gegenden des Kurfürstentums Sachsen Meilensäulen aufgestellt. Ihren Wert lernten die Bewohner immer mehr erkennen und schätzen. Man feierte die Errichtung der Meilensäulen sogar durch Prägung von Münzen, und es sind derartige Münzen in Münzsammlungen noch zu finden.

Die alten Meilensäulen unseres Vaterlandes bedeuten ein Stück Kulturgeschichte desselben. Darum sollte man da, wo solche Postsäulen aus der Väter Tagen noch vorhanden sind, um die Erhaltung derselben besorgt und bemüht sein; denn sie erinnern uns an einen bedeutenden Fortschritt der Verkehrsverhältnisse unseres Vaterlandes vor 200 Jahren. –


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Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 473. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_473.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)