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wahrscheinlich auch das Burkhardsfest, das alljährlich am 11. Oktober mit „Essen, Trinken und Vergnügen“ in Sebnitz gefeiert wurde. – Im 18. Jahrhundert war in Sebnitz und in der Umgegend noch folgender Gebrauch üblich: Am Sonntage Lätare zogen die Kinder in Sebnitz mit einem Strohmanne, der den Tod darstellen sollte, unter einem besonderen Gesange durch die Stadt bis an die böhmische Grenze. Daselbst warfen sie den Strohmann in den Bach und kehrten dann unter fröhlichen Gesängen wieder heim. – In Urkunden kommt der Name Sebnitz im Jahre 1228 zum ersten Male vor und zwar in der Grenzbezeichnung des Königreichs Böhmen und des Stiftes Meißen. Ob nun die Stadt auch dem Flusse oder der Fluß Sebnitz der Stadt den Namen gegeben hat, das ist schwerlich zu entscheiden. – Sebnitz gehörte einst zum Besitze des böhmischen Freiherrn von der Duba, seit 1410 zum Erbteil der Wildensteiner Linie dieses Geschlechts, deren Schloß hoch über dem Kuhstalltore in der Sächsischen Schweiz thronte. Am 6. April 1451 ging Sebnitz durch einen Kauf- und Tauschvertrag aus dem Besitz des Albrecht Birken von der Duba an den Kurfürsten Friedrich den Sanftmütigen und dessen Bruder Wilhelm den Tapferen über. Der Ort erlangte bald darauf Stadtgerechtigkeit. – Jahrhunderte hindurch bewahrte Sebnitz den Charakter eines Ackerbaustädtchens. Neben Getreidebau trieben die Bewohner einst auch Weinbau, und an den Abhängen der umliegenden Berge kletterte der Weinstock empor. An jene Zeiten erinnert noch der Name „die Weinleite.“ – Bedeutend war einst in der Sebnitzer Gegend der Flachsbau, und bis vor einem Menschenalter war Sebnitz weithin berühmt und bekannt als Weberstadt. Hier entwickelte sich ein lebhafter Handel mit Leinwandwaren. Schon im 15. Jahrhundert hatte Sebnitz in der Verarbeitung der Garne einen großen Ruf. Damals unterhielt es Handelsverbindungen mit England und den Städten Leipzig und Nürnberg. Die Leute aller umliegenden Dörfer und Städte erhielten durch die Sebnitzer Meister, deren damals 51 in der Stadt vorhanden waren, lohnende Arbeit. Im Jahre 1750 fing man in Sebnitz auch an, in die leinenen Waren Seide zu schießen. Nach und nach fertigte man auch Tücher aus reiner Seide, die unter dem Namen: „Dresdner Tücher“ weithin berühmt waren. So hob sich die Sebnitzer Leinwandindustrie immer mehr und mehr, sodaß Ende des 18. Jahrhunderts daselbst nicht weniger als 300 Meister, 120 Gesellen, 30 Lehrlinge und 1000 Stühle beschäftigt wurden. Vater und Sohn, Mutter und Tochter arbeiteten hinter den Stühlen, und die kleineren Kinder saßen am Spuhlrade oder hinter der Seidenwinde. Das war so bis zu jenem furchtbaren Brande am 15. September 1854. In den Flammen gingen viele Webstühle verloren. Die Bewohnerschaft wandte sich nun mehr und mehr der im Nachbarlande Böhmen blühenden Fabrikation künstlicher Blumen zu. Der wirtschaftliche Aufschwung nach den Kriegsjahren 1870/71 verhalf der Blumenindustrie in Sebnitz zu großer Blüte, und so ist Sebnitz heute eine „Blumenstadt“ geworden und als solche im In- und Auslande rühmlichst bekannt. Sie zeigt durchaus das Gepräge eines lebhaften modernen Industrieortes und weist einen so lebhaften kommerziellen Verkehr auf, daß z. B. der Postpaketverkehr im Jahre 1898 als zweiter im Dresdner Handelskammerbezirk, d. h. unmittelbar nach dem der Residenz Dresden „rangierte.“ Sebnitz besitzt ein großes und schönes Krankenhaus, Gasbeleuchtung, seit 1900 eine schöne Wasserleitung. Im Jahre 1903 wurde auf dem Marktplatze ein stattliches Bismarckdenkmal errichtet. – Die Bewohner sind gastfreundschaftlich, und der Fremde fühlt sich unter ihnen wohl. Wer nur einmal hier war, der lenkt gern seine Schritte wieder nach

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Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 446. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_446.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)