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193. Sebnitz.

Zu den schönstgelegenen Städten unseres Vaterlandes gehört die gegen 8000 Einwohner zählende Stadt Sebnitz. Sie bildet einen Teil des sogenannten „Meißner Hochlandes.“ Umrahmt wird sie von Bergen und schlangenförmig durchflossen von dem Sebnitzbach, der wiederholt dem trauten Städtchen verhängnisvoll wurde, wie z. B. am 22. Juni 1714 und im Jahre 1804, als furchtbare Wasserfluten Sebnitz heimsuchten. Die Lage von Sebnitz ist unbeschreiblich schön, malerisch ist der Anblick vom Bahnhofe aus, ebenso von der oberhalb desselben gelegenen Finkenbaude oder auch droben von der Grenadierburg aus. Friedlich reihen sich die Häuser um den geräumigen Marktplatz und ziehen sich hier und da an den Abhängen der Berge hinan. Einzelne wagen sich sogar auf den Rücken der Berge. – Zu erreichen ist Sebnitz bequem und schnell mit der Bahn von Schandau aus oder auch von Neustadt her. In kurzer Zeit wird die Bahnstrecke Nixdorf–Sebnitz fertiggestellt werden, sodaß man auch von Zittau her über Rumburg und Schluckenau Sebnitz künftig bequemer und schneller erreichen kann. – Vor 50 Jahren hatte Sebnitz noch nicht das freundliche Ansehen wie heute. Die Gassen waren nicht so breit, und der Marktplatz war nicht so geräumig. Am 15. September 1854 wurde ein großer Teil der Stadt ein Raub der Flammen. Die vielfach noch mit Schindeln bedeckten Häuser gaben dem Feuer Nahrung; damals gingen das Rathaus, die Schule, die den Marktplatz einrahmenden Gebäude und die anstoßenden Gassen in den Flammen auf. Nicht weniger als 150 Häuser wurden in einen Asche- und Trümmerhaufen verwandelt. Auf den Trümmern wurde die Stadt von neuem wieder aufgebaut und erhielt jenes anmutige Gewand, dessen Anblick uns so fesselt. – Die Stadt Sebnitz hat ein hohes Alter. Ihre Gründung fällt in eine sehr frühe Zeit, mindestens um das Jahr 1000 n. Chr. Geburt. Die Schreibweise des Namens Sebnitz ist eine schwankende gewesen. Da findet man das Städtchen Sebenitza, Sabenize, Sebenitzs, Sebenitz, Sebeniz und auch Zäbnicz geschrieben. Der Name der Stadt ist wendischen Ursprungs und liegt ihm nach den neueren Forschungen das altwendische Wort zeba zu Grunde, welches „Fink“ bedeutet. Den Namen Sebnitz deutet man neuerdings als „Finkenwaldbach.“ Wenden sind also die ersten Bewohner des Talkessels gewesen, in dem sich heute die Stadt Sebnitz so friedlich ausbreitet. 200 Jahre später siedelten hier nach der Sage sich noch 24 deutsche Bauern an, die aus der Bamberger Gegend kamen. Ueber den Ursprung und über die Gründung der heutigen Stadt Sebnitz besteht noch folgende allgemeine Ueberlieferung: In uralten Zeiten stand da, wo jetzt die Stadt Sebnitz liegt, ein berühmtes Forsthaus. In seiner Nähe siedelten sich nach und nach noch andere Leute an, und so entstand mit der Zeit eine Stadt. An jenes Forsthaus erinnern noch heute das Sebnitzer Stadtwappen, ein schreitender Hirsch im blauen Felde. – Nach einer uralten Sage sollen da, wo Sebnitz heute steht, einst die Böhmen oder Tschechen ihre Volksversammlungen abgehalten haben. Im nahen Dorfe Lichtenhain, bekannt durch den Lichtenhainer Wasserfall, habe sich ein heiliger Hain befunden, wo die Böhmen den alten Göttern opferten. An die altheidnische Zeit, die Zeit der Gründung der Stadt, erinnern heute noch in Sebnitz mancherlei Gebräuche. Am Abend vor dem Feste Johannis des Täufers werden auf den ringsumliegenden Bergen große Feuer angezündet. Dann werden diese mit angezündeten, brennenden Besen im Kreise noch hier und da umzogen und wohl auch noch umtanzt. An jene Zeit erinnerte

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Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 445. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_445.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)