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167. Der Sebnitzer Wald.

Zwei Kilometer in östlicher Richtung von der so reizend gelegenen Stadt Sebnitz breitet sich ein umfangreiches Waldgebiet aus, das man als den Sebnitzer Wald bezeichnet. Er geht nach Südosten zu über in den noch umfangreicheren Thomaswald, der jenseits der Reichsgrenze in Böhmen liegt, und aus dem sich der vielbesuchte, 600 Meter hohe Tanzplan mit seinem freundlichen Einkehrhaus erhebt. – Den Sebnitzer Wald und den Thomaswald trennt die deutsch-österreichische Grenze. – Einst lag auch der Sebnitzer Wald jenseits der Grenze drüben in Böhmen. Er gehörte zu den Besitzungen des reichen Grafen Salm, an den die zwei böhmischen Ortschaften Salmdorf und Grafenwalde erinnern, zwei idillisch gelegene und waldumrahmte Dörfer an der von Nixdorf-Schönau nach Zeidler und Schönlinde in Böhmen führenden Landstraße.

Wie nun der Sebnitzer Wald zu Sachsen gekommen ist, darüber berichtet die Sage folgendes:

Einst war der sächsische Kurfürst vom Grafen Salm zur Jagd eingeladen worden. Die Jagd währte mehrere Tage, und die beiden Herren nahmen nachts Quartier in einer schlichten Waldhütte, um am anderen Morgen das Weidwerk fortzusetzen. Sie vertrieben sich die Zeit mit Spiel. Als Preis wurde vom Graf Salm der Sebnitzer Wald ausgesetzt. Das Glück war ihm aber nicht hold, er verlor das Spiel und mit diesem den zum Pfande eingesetzten Sebnitzer Wald, der nun kurfürstliches Eigentum wurde. Graf Salm setzte aber das Spiel fort. Er wollte das Verlorene gern wieder zurückgewinnen und setzte jetzt den Thomaswald als Pfand ein. Das Spiel nahm aber für ihn wiederum eine üble Wendung, was der hinter dem Grafen stehende Narr am ersten bemerkte. Derselbe wollte seinem Herrn den Thomaswald retten. Er löschte plötzlich das Licht aus, damit das Spiel nicht zu Ende geführt werden konnte. Der Graf Salm fühlte sich dadurch aber in seiner Ehre verletzt und gab dem treuen Diener, seinem Hofnarren, zum Dank ein paar Ohrfeigen. Doch der Thomaswald war durch die List des Narren gerettet worden und blieb Eigentum des Grafen Salm. Der Sebnitzer Wald aber kam nun zum Kurfürstentum Sachsen und ist sächsisches Gebiet bis zur Stunde geblieben. –

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Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 391. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_391.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)