Seite:Was die Heimat erzählt (Störzner) 333.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

auch die Notbrücken und die Ueberfahrten. Der Verkehr wurde strengstens beaufsichtigt, damit kein Gedränge entstehe. Wie die Menschen herüber und hinüber rannten! Manchen trieb die Angst um die Seinen über die bedrohte Elbbrücke. Hier rief ein Ehemann nach seiner Gattin und suchte sie jenseits der Fluten, dort führte ein rüstiger Jüngling einen schwachen Greis, welcher nicht allein durch die unter seinen Füßen wachsende Flut zu gehen wagte. Die Kähne waren übervoll. Die strengste Aufsicht war nötig, damit die Fahrzeuge nicht zu stark besetzt wurden. Ueber die Brücke zu gehen und zu fahren, fand man nicht für gefahrvoll. Der Verkehr auf derselben ging die ganze Nacht hindurch. Droschken konnten nicht genug Leute befördern. Da wurden die Leiterwagen herzugeholt, welche die Menschen von einem Stadtteile in den anderen beförderten. Hierzu kam das furchtbare Rauschen des schäumenden Wassers, der Wellenschlag an den Pfeilern und Bogen der Brücke. Das Wasser spritzte wild auf.

Schloß Gauernitz.

Die Flut schien zu kochen; und in unruhigen Bewegungen spiegelten sich die Lichter der Laternen der Brücke und des Ufers in dem wütenden und schäumenden Wasser. Man befürchtete allgemein, daß der durch die Gebäude am linken Ufer eingeengte Strom sich seitwärts gewaltsam Bahn brechen werde, dann in die Schleusen dringen könne, diese heben und dadurch ein namenloses Unglück über die Stadt verhängen würde. In banger Furcht, doch im festen Vertrauen auf Gott, wurde die Nacht vom 30. zum 31. März durchwacht. Da brach endlich der ersehnte Morgen an. Im Nebel und unter Regen ging die Sonne auf. Der gefahrvollste Tag für die Bewohner Dresdens sollte kommen. Die überschwemmten Straßen und Plätze zeigten ein trauriges Bild. Die Not der Bewohner der unter Wasser gesetzten Stadtteile stieg noch dadurch, daß kein Trinkwasser mehr zu haben war. Die Pumpen und Röhrfahrten waren überschwemmt und unzugänglich geworden. Da das Wasser in alle Grundstockwerke eingedrungen war und dadurch die Backstuben der Bäcker überschwemmt hatte, konnten die Bäcker kein Brot liefern. Dazu waren auch die Backöfen mit Wasser gefüllt. Auch die im Erdgeschosse befindlichen Kaufmannsgewölbe, Fleischerläden und Schankwirtschaften waren unter Wasser gesetzt und für den Verkehr geschlossen. Auf dem Schloß- und Theaterplatze wogte die Flut am bedenklichsten. Die katholische Hofkirche war rings vom Wasser umgeben. Der erste Brückenbogen vom Schlosse aus vermochte kaum mehr das

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 333. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_333.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)