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des Elbgaufürsten, der da, wo jetzt das Dorf Zadel liegt, auf einer Felsenburg seinen Sitz hatte. Die Jungfrau erwiderte aber die Liebe der Riesensöhne nicht. Als dieselben bei ihrem Vater um die Hand des Mädchens warben, da gab ihnen dieser die ausweichende Antwort: „Ihr müßt Euch meine Tochter erst zu verdienen suchen!“ Es hatte aber ein anderer das Herz des Mägdleins gewonnen und zwar ein armer Hirte, der die Lämmer des Elbgaufürsten hütete. –

Einst war dessen Töchterlein auf einem Spaziergange an dem Ufer eines Baches eingeschlummert. Eine giftige Schlange nahte der ahnungslosen Schläferin und wollte sie beißen. Das bemerkte aber der junge Hirte, der in der Nähe die Schafe weidete. Er eilte herzu und erschlug die Schlange. Bila, die Tochter des Elbgaufürsten, erwachte aus dem Schlafe und erblickte in dem jungen Schäfer, von dem sie eben geträumt hatte, ihren Lebensretter. Voll Dankbarkeit und Liebe verspricht sie dem hübschen Jünglinge Herz und Hand. Lange blieb aber das Geheimnis der Liebenden den beiden Riesen nicht verborgen. Einst sahen sie von ihren Bergen aus den jungen Schäfer, seiner Bila, welche an jener Stelle des Baches auf ihn sehnlichst wartete, entgegengehen. Da erhoben beide Riesen, jener auf dem Kolmberge, dieser auf dem Keulenberge, ungeheuere Steinblöcke und schleuderten sie dem Hirten entgegen. Doch dieser blieb unversehrt; denn er stand unter dem Schutze der Götter, weil er fromm und gut war. Als nun der alte Fürst des Elbgaues die Rettung seiner Tochter von dem giftigen Schlangenbiß erfuhr, da nahm er deren Retter als Eidam an und errichtete zum Dank gegen die Götter auf dem Steine, welchen der Riese des Keulenberges geschleudert hatte, eine Opferstätte. Die beiden Riesen aber gerieten in Zank und Streit, in welchem der Bewohner des Keulenberges erschlagen wurde.

Von der Burg, welche die Riesen oben auf dem Keulenberge bewohnten, sollen die drei gewaltigen Felszacken, die auf dem großen Keulenberge emporragen, noch ein Rest sein. Umgeben war die ehemalige Burg der Riesen mit gewaltigen Steinwällen, von denen noch heute deutliche Spuren vorhanden sind. Die Riesen zogen sich durch ihren gottlosen Lebenswandel den Zorn der Götter zu. Während eines furchtbaren Gewitters wurde die Riesenburg zerstört. Später erbauten auf den Trümmern der Burg der Riesen Ritter eine neue Burg. Doch auch diese Ritter waren wilde Gesellen. – Am östlichen Abhange des großen Keulenberges liegt eine einsame Waldwiese. Der Volksmund bezeichnet dieselbe als die Nymphenwiese. Hier tummeln sich zu manchen Zeiten schöne weibliche Wesen, Nymphen genannt. Im Vollmondscheine führen sie hier ihre Reigen auf, zur Mittagszeit halten sie auf jener Wiese Rast im lachenden Sonnenscheine. Nicht selten soll es auch vorkommen, daß dem einsamen Wanderer jene reizvollen Wesen im Walde begegnen. Auch ein Ritter vom Keulenberge hatte auf der Jagd wiederholt einzelne Nymphen zu sehen bekommen. Sein Herz entflammte von heißer Leidenschaft. Einst kommt er in die Nähe der Nymphenwiese. Da erblickt er die schönste Nymphe, wie selbige sanft am Rande des Waldes schlummert. Schnell schleicht er hinzu, fesselt rasch die ahnungslos Schlafende, hebt sie auf sein Roß und jagt mit dem Raube hinauf zur Burg. Aber der wilde Ritter sollte sich des Besitzes dieser schönen Nymphe nicht lange erfreuen. Was der frevelnde Ritter getan hatte, war von den übrigen Nymphen beobachtet worden. Sie setzten nun alles daran, die Geraubte zu befreien. Sie riefen die Tiere des Waldes zu Hilfe. Diese kamen und umlagerten die Burg. Die Schar

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Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 270. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_270.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)