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Ihre Heere stellten sie an der Westgrenze auf, um das Eindringen der verhaßten Deutschen zu verhindern. Doch die Wenden konnten Heinrichs Siegeszug nicht mehr aufhalten. Ein befestigter Ort nach dem andern wurde von Heinrich erobert, eine Schanze nach der andern fiel in seine Hände. Bis an die Elbe hatte er in kurzer Zeit alles wendische Gebiet erobert. Nun überschritt er auch diesen Strom und drang nach Osten zu immer tiefer in das wendische Land ein. Da machten die Wenden noch einen letzten Versuch, Heinrichs Vordringen zu hemmen und wenigstens den Gau Milczane zu retten. Sie zogen alle verfügbaren Streitkräfte zusammen und stellten sich ihm am Walenberge und bei der Blutmühle bei Tetschwitz entgegen. Es kam zu einem gar mörderischen Kampfe. Das Blut floß in förmlichen Strömen dahin. Die Wenden erlitten eine furchtbare Niederlage. Fast nicht ein Mann kam davon. Es war ein Vernichtungskampf, ihr letzter Verzweiflungskampf. Am Walenberge liegen sie, die für ihren heimischen Herd Leben und Blut einsetzten, begraben. Freilich ihre Gebeine sind nunmehr längst verbleicht und vermodert. Ueber ihre Gräber hin zieht heute der Pflug. Nachts aber, wenn die Sterne niederschimmern und die Menschen schlafen gegangen sind, dann wird es am Walenberge lebendig. Aus den längst verwischten Gräbern kommen sie hervor, die einst in jener blutigen Schlacht ihr Leben ließen und setzen den Kampf fort. Der Wanderer, welchen zur Nachtzeit der Weg hier vorüberführt, hört es von den Feldern her stöhnen und schreien. Er schlägt rasch ein Kreuz und eilt weiter. Blutigrot schimmert um diese Zeit der Berg. Die Leute sagen dann: „Die Wenden kämpfen wieder am Walenberge!“

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Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 234. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_234.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)