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108. Der Walenberg bei Pulsnitz.

Fast zwei Stunden von der Stadt Pulsnitz entfernt liegt ein Berg, der den Umwohnern unter dem Namen „Walenberg“ bekannt ist. An diesen Berg knüpft sich eine der frühesten geschichtlichen Erinnerungen des Meißner Landes. Hier war es, wo im Jahre 934 ein blutiger Entscheidungskampf zwischen Heinrich I. und den Wenden, welche damals die Herren dieser Gegend waren, stattfand. Die Wenden sahen durch den deutschen Kaiser Heinrich ihre Herrschaft bedroht und riefen die Hunnen oder Ungarn zu Hilfe, die auch mit einem Heere von 20000 Mann kamen. Doch bewilligte Heinrich ihnen einen Tribut und brachte dadurch einen neunjährigen Waffenstillstand fertig. Die Zeit dieses Waffenstillstandes nützte aber Heinrich gut aus. Einzeln wollte er die verbündeten Feinde bekämpfen. Sein Plan, die Wenden zu unterjochen, mußte gelingen. Er griff die jenseits der Elbe wohnenden Daleminzier, einen wendischen Volksstamm, an und eroberte nach 20tägiger Belagerung ihre Hauptfeste Gana bei Lommatzsch. Schonungslos ließ er alle waffenfähigen Männer niederhauen und Weiber und Kinder als Sklaven verkaufen. Die Wenden mußten empfinden, daß ein christlicher Kaiser auch heidnische Barbarei üben könne. Nach Ablauf des neunjährigen Waffenstillstandes gab Heinrich I. den Ungarn statt des vereinbarten Tributes einen räudigen Hund. Wutentbrannt brachen die Ungarn im deutschen Reiche ein und wollten für die ihnen vom deutschen Kaiser angetane Schmach furchtbare Rache nehmen. Doch es wurden die Ungarn im Jahre 933 in der blutigen Schlacht bei Merseburg und Keuschberg so geschlagen, daß sie eiligst nach Ungarn flohen und auf einige Jahrzehnte das Wiederkommen vergaßen. Der Ausgang der Ungarnschlacht bei Merseburg war für die Wenden im Gau Nisin und Milczane, die bei der heutigen Stadt Pulsnitz, (damals ein festes Bollwerk), aneinandergrenzten, von den verhängnisvollsten Folgen. Da der deutsche Kaiser Heinrich ihnen den mächtigen Bundesgenossen genommen hatte, so standen die Wenden nun hilflos da. Darum spannten sie alle ihre Kräfte an, ihr Gebiet zu beschützen und zu behaupten.

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Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 233. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_233.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)