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Norden hin schweift das Auge auf die waldreiche Umgebung von Königsbrück. Rechts davon erhebt sich, sehr deutlich hervortretend, der zweigipflige Keulen- oder Augustusberg, den man vom Eggersberge aus in anderthalbstündiger Wanderung bequem erreichen kann. Östlich treten die Höhen um Pulsnitz, Kamenz, Elstra und Bischofswerda hervor und gewähren einen reizenden Anblick, besonders Abends, wenn die Sonne zum Untergange sich neigt.

Mannigfaltig sind die Abwechslungen, in denen Städte und Dörfer, Wiesen und Felder, von der Dresdener, Königsbrücker und Laußnitzer Heide durchschnitten, dem Wanderer sich darbieten. Nur ein Strom fehlt, um das herrliche Landschaftsgemälde recht zu beleben. Eine ähnliche Aussicht bietet dem Freunde der Natur das „Fuder Heu“, eine dem Eggersberge nahegelegene Anhöhe.

Leider wenden alljährlich bis jetzt nur wenige Wanderer ihre Schritte in diese Gegend, da dieselbe etwas abseits von dem großen Verkehrswege der Welt liegt und scheinbar nicht besondere landschaftliche Reize zu bieten hat. Und doch ist die Verbindung keine allzu umständliche. Die nächsten Bahnstationen sind Großröhrsdorf und Pulsnitz, von wo aus man in einem Stündchen auf schöner Landstraße Lichtenberg erreicht. Von den Bahnhöfen Arnsdorf und Radeberg liegt der Ort nur zwei Stunden entfernt. Die Wege dahin bieten mancherlei Abwechslung und befinden sich in gutem Zustande. – Wer seine Schritte zum ersten Mal nach Lichtenberg lenkt, wird von der herrlichen Aussicht, die ihm der Eggersberg bereitwilligst bietet, angenehm überrascht sein und sich für seine Mühe hinlänglich belohnt fühlen. Besonders würde es für diejenigen, welche das idyllische Augustusbad bei Radeberg besuchen, eine angenehme Erholung sein, wenn sie einen heiteren Morgen oder einen Nachmittag darauf verwendeten, um die lieblichen Anhöhen bei Lichtenberg zu besuchen. In den dortigen Gasthöfen und Restaurationen finden die Fremden Bequemlichkeit und gutes Unterkommen.

Wie Lichtenberg zu den schönsten und stattlichsten Dörfern in der Umgegend von Radeberg und Pulsnitz zählt, so gehört dasselbe auch mit zu den älteren in dieser Pflege, ja, es ist vielleicht das älteste unter denselben. Das Alter des Dorfes wird auf mehr als tausend Jahre geschätzt. Seine Gründung reicht in die Wendenzeit zurück, also in jene Zeit, da die Wenden noch die Herren der westlichen Lausitz waren. Über die Höhen bei dem heutigen Dorfe Lichtenberg führte damals eine uralte Handels- und Heerstraße, die man heute noch unter dem Namen „alte Heidenstraße“ kennt.[1] Gern bauten sich die Wenden auf den Höhen und unfern der Heerstraße an, und so gründeten sie auch oben am Eggersberge, also im heutigen Oberdorfe Lichtenbergs, eine Niederlassung, und schon lange vor dem Jahre 1000 n. Chr. Geb. haben hier oben ihre Hütten gestanden. Welchen Namen jedoch diese Niederlassung führte, das weiß man freilich heute nicht mehr. Hierüber berichten keine Überlieferungen.

Im 10. und 11. Jahrhunderte drangen die Deutschen in jener Gegend wieder vor und wurden von neuem die Herren des Landes. Viele wendische Niederlassungen wurden entvölkert und von den Deutschen in Besitz genommen und bewohnt. Neue Hütten wurden aufgeführt, und bald drängte sich Hütte an Hütte in der Nähe der alten Heerstraße am Gipfel des Eggersberges. Das Licht, welches zur Nachtzeit aus den kleinen Fensterhöhlen schimmerte, gewahrten die Wanderer, welche auf der Heidenstraße daherkamen, schon aus weiter Entfernung und war ihnen oftmals ein tröstlicher Leitstern. Wohl


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Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_203.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)