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85. Der Pranger in Grossröhrsdorf.

Links vom südlichen Eingange zum alten Kirchhofe in Großröhrsdorf befand sich vor einem Menschenalter an der Außenseite der Kirchhofsmauer ein an Ketten geschmiedetes Halseisen, der Pranger genannt. Dieses Halseisen wurde solchen Personen angelegt, welche bei irgend einem Vergehen ertappt worden waren. Gewöhnlich Sonntags mußten dann die Betreffenden am Pranger stehen und waren hier oft viele Stunden hindurch dem Gespötte der Kirchenbesucher und aller Vorübergehenden ausgesetzt und preisgegeben. Wer am Pranger stand, der konnte von jedermann verhöhnt, verlacht, verspottet, ja mit Schmutz und Kot beworfen werden. Am Pranger zu stehen, galt darum für eine gar große Schande. Es war eine beschämende Strafe. Der Pranger soll in früheren Zeiten auch sehr gute Dienste geleistet und manchen von einem geplanten Verbrechen abgehalten haben. Erst im Jahre 1836 wurde das Halseisen an der Kirchhofsmauer zu Großröhrsdorf entfernt und somit der Pranger aufgehoben, nachdem seit Menschengedenken niemand mehr an denselben geschlossen worden war.

86. Die Räuberstrasse.

Ein jahrhundertalter Weg, der in den frühesten Zeiten die heutigen Städte Radeberg und Bischofswerda verband, war die „Räuberstraße“. Dieselbe ist den Bewohnern des oberen Rödertales unter diesem Namen bekannt und führt als ein ziemlich gangbarer Weg noch jetzt durch die Felder südlich von Großröhrsdorf und Bretnig an der ehemaligen Dammschenke, dem jetzigen Schützenhause von Bretnig, vorüber. Südöstlich von Hauswalde wendet dieser alte Weg sich nach Frankenthal ab und führt von hier aus an Goldbach vorbei nach Bischofswerda.

Die Räuberstraße war im frühesten Mittelalter ein vielbenützter Weg. Kaufleute zogen auf ihm dahin, besonders die Juden. Sehr häufig kam es vor, daß die reisenden Kaufleute, welche ihre Waren und oftmals auch viel Geld mit sich führten, hier angefallen wurden. Diese alte Straße führte durch weitausgedehnte Waldungen, in denen Räuberbanden ihre Schlupfwinkel hatten. Wegelagerer lauerten Kaufleuten auf, plünderten diese oder ermordeten sie auch nicht selten, wenn sie kein Lösegeld erhalten konnten. Um das Jahr 1400 war die Räuberei hier am tollsten, und nur unter starker Bedeckung konnten damals die Kaufleute eine Reise von Bischofswerda nach Radeberg wagen. Erst später trat größere Sicherheit ein. Die Bezeichnung dieses alten Weges als die Räuberstraße hat sich aber bis zum heutigen Tage erhalten.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 197. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_197.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)