Seite:Was die Heimat erzählt (Störzner) 188.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Rauschen der niederströmenden Gewässer. Der Dorfbach, die Grunau, vermochte bald die sich einherwälzenden Fluten nicht mehr zu fassen, weithin wurden die Ufer überschwemmt, und nach kurzer Zeit durchtobte das Dorftal ein reißender Strom, alles, was sich ihm in den Weg stellte, mit sich fortreißend.

Gleich, nachdem die Wirtschaftsgebäude des Schlosses in Flammen standen, fuhr der Blitz in die nahe Kirche, ferner in den Rittergutsgasthof, in die Häuser Nr. 23, 25, 29, 117 und 119. Alle die genannten Gebäude wurden mit sämtlichen Nebengebäuden ein Raub der Flammen. Der Ortsteil um das Schloß her glich einem förmlichen Flammenmeere. An das Löschen dachte niemand, denn in der Todesangst und im Angesichte der drohenden Gefahr für jedes Haus des Ortes konnte auch niemand herbeieilen. Man mußte die wütenden Flammen sich selbst überlassen. Das Flugfeuer war so furchtbar, daß man das Schauspiel eines gewaltigen Feuerwerkes zu haben glaubte, und doch wurde kein einziges Haus durch das Flugfeuer in Brand gesteckt, sondern nur durch den Blitz. Nicht weniger als 7mal schlug der Blitz noch in die brennenden Schloßgebäude. Unzählige Blitzstrahlen fuhren in die Erde, in die Bäume, in das Feld, in den Wald und in das Wasser. Man hat Hunderte von niederfahrenden Blitzen gezählt. Die Leute glaubten nicht anders, als das Ende der Welt sei gekommen, und viele bereiteten sich auf ihr Ende vor. Die Leute lagen auf den Knieen und flehten gen Himmel um Erbarmen und um ein gnädiges Gericht. Über vier Stunden stand das schreckliche Unwetter über Harthau, erst gegen 9 Uhr abends ließ dasselbe nach in seiner Gewalt, und die Bewohner atmeten erleichtert auf. Obgleich das heftige Gewitter auch in der Umgegend gewütet hatte, so war dasselbe doch nur in Harthau und seiner nächsten Nähe mit so arger Verwüstung aufgetroffen. In meilenweiter Ferne hatte man das Unwetter beobachtet, und das unheimliche Aufleuchten, sowie das ununterbrochene Rollen des Donners ließen nichts Gutes ahnen. Selbst in Dresden, wo man das Gewitter wahrgenommen hatte, hegte man die ernstlichsten Besorgnisse; „denn die in der rabenschwarzen Wolkenwand aufsteigenden Rauch- und Feuerwolken, in die sich ganze Bündel Blitze mengten, die gleich feuerigen Säulen zur Erde niedergingen, machten dieses beispiellose Naturereignis auch für die Ferne zu einem furchterregenden. Man sandte von Dresden aus eine Abteilung Reiterei nach Harthau, um Hilfe zu bringen. Abends gegen 10 Uhr war die Gefahr vorüber, und Hunderte von Händen falteten sich, um Gott für die wunderbare Rettung zu danken.“ Als am 16. August die Sonne aufging, beleuchtete sie ein Bild arger Verwüstung. Noch immer wälzten sich die gelben Fluten durch den Ort, doch hatten dieselben meist die Ufer wieder erreicht, freilich sah man keine Stege und Brücken mehr, auch die Zäune waren fortgerissen worden, und viele Bäume lagen entwurzelt da. Die Felder waren zerrissen, zahlreiche Bäume zerschmettert. Um das Schloß her glich alles einem rauchenden Schutt- und Trümmerhaufen.

Es hat lange gedauert, ehe die Bewohner Harthaus von dem gehabten Schrecken sich erholten, und oftmals haben die Väter ihren Kindern von jenem 15. August 1793 erzählt, der in der Geschichte Harthaus als ein wahrer Schreckenstag eingetragen ist und hoffentlich nicht wiederkehrt.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_188.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)