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Backhühner, Eierspeisen u. s. w. Man schlachtete auf dem „Fuchs“ damals wöchentlich 2 Rinder, 2 bis 3 Schweine, 3 bis 4 Kälber, dazu viele Fische, Gänse, Hühner und Tauben. Die damalige Köchin auf dem „Fuchs“, ein Weib von wahrer Hünengestalt und ausgestattet mit fast herkulischer Kraft, stand in dem Rufe der tüchtigsten Köchin, und ihr Name war bis Schlesien, ja bis Polen und Thüringen allgemein bekannt[1].

Nach der Abendmahlzeit wurde im geselligen Kreise oft noch stundenlang geplaudert. Da gab dann dieser und jener seine Erlebnisse zum besten, und oftmals war es bereits Mitternacht geworden, bevor man das Lager aufsuchte. Die meisten der Übernachtenden blieben in der Gaststube selbst. Auf den Bänken und zusammengestellten Stühlen machten sie sich ein Lager zurecht, da die Betten nicht immer zureichten; denn oftmals blieben hier über 150 Personen, in einer Gaststube manchmal allein bis 60 Personen.

Von den Fuhrleuten und Reisenden erwartete man, daß dieselben auch ein Scherflein der Ortskirche oder den Ortsarmen spendeten. Zu diesem Zwecke waren zwei Sammelbüchsen angebracht, die eine in der Gaststube der Fuhrleute, die andere im Vorhause. Beide Sammelbüchsen sind noch heute vorhanden und fest verschlossen. Als man sie vor mehreren Jahren nochmals öffnete, fand man in der einen sogar ein Goldstück vor. –

Mit Anbruch des Morgens begann es sich bereits wieder zu regen. Um 2 Uhr wurden die Pferde gefüttert, die Geschirre zurecht gemacht und die Wagen besorgt. Darauf schritten die Hausknechte durch das Haus und weckten durch Pochen an die Türen die Reisenden. In der Küche nahm nun die Köchin, die oftmals wochenlang in kein Bett kam, ihre Tätigkeit wieder auf. Bald füllten sich die Gaststuben mit Gästen und Fuhrleuten, und das erste Frühstück, Kaffee und Butterbrot, wurde aufgetischt. Auch waren Semmeln zu haben. Diese brachte ein Stellwagen aus Bischofswerda mit, der dann abends die leeren Körbe wieder mit zurücknahm. Nicht selten wurden für mehr als 1 Taler Semmeln nebenbei gebraucht, und doch galt die Semmel damals für einen Leckerbissen. Vor Aufbruch bekamen die Fuhrleute noch Butterbrot mit Braten besonders eingewickelt mit auf den Weg und zwar als eine kleine Liebesgabe des Wirtes und der Wirtin; denn mit den Fuhrleuten durfte es


  1. Nach den mündlichen Angaben des 78jährigen Gastwirtes Richter waren täglich zur Speisung der vielen Reisenden im Gasthofe „Zum Fuchs“ nötig ein halber Zentner Rindfleisch, ein halber Zentner Schweinefleisch, ein Kalb, viel Geflügel, viele Fische, zur Fütterung der Pferde 10–20 Zentner Hafer. – Am 30. Januar 1904 starb im fast vollendeten 79. Lebensjahre der alte Gastwirt Richter. Sachsens Elbgau-Presse schreibt in Nr. 33 vom Jahre 1904 über ihn folgendes: „Schmiedefeld bei Stolpen. Vergangene Woche wurde hier ein müder Pilger zur letzten Ruhe gebettet, der weit über die Grenzen unseres Vaterlandes hinaus bekannt war. Es war dies der im Alter von fast 80 Jahren verstorbene „Vater Richter“, der frühere Besitzer des geschichtlich so denkwürdigen Gasthofes zum „Fuchs“ an der Bautzener Landstraße. Mit ihm ist ein Stück Kulturgeschichte der Stolpener Pflege dahin. Wenn einer mit der Geschichte seiner Heimat vertraut war, so war es „Vater Richter“. „Vater Richter“ hatte im „Fuchs“ noch jene Zeit vor Eröffnung der Bahnlinie Dresden–Bautzen mit durchlebt, da Schmiedefeld noch eine Hauptzentrale des Verkehres zwischen dem Osten und Westen unseres Vaterlandes war. Vor und nach der Leipziger Messe besonders herrschte im „Fuchs“ ein so lebhafter Verkehr, daß oftmals Hunderte von Fuhrleuten und Reisenden hier Quartier nahmen. Es war eine Freude, „Vater Richter“ aus jener Zeit erzählen zu hören! Wenn er auf die vergangenen Tage zu sprechen kam, dann wurde der greise Mann zum Jünglinge. Rasch vergingen dann die Stunden. Der Fuchs trägt noch so manche Erinnerungen an Napoleon I. von Frankreich und Alexander I. von Rußland. Von beiden Männern wußte „Vater Richter“ manch Stücklein zu erzählen. Nun hat auch er seine Augen geschlossen. Er ruhe in Frieden! Am 2. Februar, früh 9 Uhr, wurde er zur letzten Ruhe gebettet.“ –
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Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_171.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)