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62. Die Schweden in Stolpen während des Nordischen Krieges.

Kurfürst Friedrich August von Sachsen, welcher zugleich König von Polen war, wollte dem Schwedenkönige Karl XII. Liefland entreißen, indem er meinte, mit diesem „Schneekönige“ bald fertig zu werden. Allein es entstand daraus ein für ihn selbst sehr unangenehmer und für Sachsen höchst verderblicher Krieg. Obgleich die Schweden nur ein Jahr, von 1706 bis 1707, in Sachsen lagen, so hat ihr Aufenthalt demselben doch über 23 Millionen Taler gekostet. Kurfürst und König August der Starke hatte sich mit dem Könige von Dänemark und mit dem Zar von Rußland, Peter dem Großen, verbunden. „Darum kam auch fremde Einquartierung nach Sachsen. Die Krieger brachten Weiber und Kinder mit, waren in höchst bedauernswerten Umständen, halb verhungert und zerlumpt und blieben ebenfalls fast ein ganzes Jahr hindurch in unserem Vaterlande liegen.

Karl XII. brach den 1. September 1706 mit 22 000 Mann bei Steinau im Fürstentume Wohlau gelegen, in Sachsen ein. Die Kunde von diesem Einfalle verbreitete hier zu Lande einen solchen Schrecken, daß man sich in Dörfern und Städten zur Flucht bereitete, indem man der Barbareien gedachte, welche die Schweden im 30jährigen Kriege verübt hatten. Man versprach sich von den Schweden auch diesmal nichts Besseres. Im 30jährigen Kriege hatten sich die Schweden vor aller Welt einen Schandfleck aufgeheftet, der da bleiben wird, so lange es eine Geschichte gibt. Dies erkennend, war schon in jenem großen Kriege der schwedische Königshof über das Betragen seiner Truppen in Deutschland auf’s Höchste erzürnt, leider aber nicht imstande, es zu ändern. Karl XII. schien nun aber mit dem Vorsatze gekommen zu sein, das, was in Hinsicht auf die Ehre der schwedischen Truppen noch zu retten sei, zu retten; denn seine Soldaten hatten die allerschärfsten Verhaltungsbefehle von ihm erhalten. Es war den Schweden auf das Nachdrücklichste geboten, sich in Feindeslanden jeder Gewalttat und aller willkürlichen Bedrückung zu enthalten. Deswegen mochte ihm die Nachricht von der allgemeinen Flucht der Bewohner Sachsens wohl einen Stich in’s Herz geben, und es erschien sofort seine Ermahnung an alle Landesbewohner, daß niemand von seiner Wohnung weichen solle, auch nicht zu weichen brauche; denn jeder sächsische Untertan genieße, so lange er mit seinem Heere in Sachsen weile, völlige Sicherheit seiner Person; nur solle man das, was an Kontributionen (Kriegssteuern) auferlegt werden würde, bereitwilligst leisten. Es war aber trotzdem der Druck, den die schwedischen Truppen auf Sachsen ausübten, immerhin noch groß genug.

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Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_148.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)