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60. Die Sankt Barbara- oder Schlosskapelle zu Stolpen.

Es war im Jahre 1813. Die Franzosen hausten im Lande, und niemand erlebte frohe Stunden. Städte und Dörfer wurden in rauchende Trümmerhaufen verwandelt und die Bewohner des Landes ausgeplündert. Auch in Stolpen wirtschafteten die Franzosen in gewohnter Weise. Ihre Zerstörungswut ließen sie an dem Schlosse aus, das durch ihre Hände fast vollständig in die Luft gesprengt wurde. So ging damals unter vielen anderen Schloßgebäuden auch die hochinteressante und altehrwürdige Sankt Barbara- oder Schloßkapelle durch die Franzosen zu grunde. Heute stehen von ihr nur noch die Grundmauern.

Die Sankt Barbarakapelle des Schlosses zu Stolpen wurde im Anfange des 15. Jahrhunderts von dem damaligen Bischof zu Meißen, Thimo,[WS 1] erbaut. Derselbe stiftete dabei zugleich ein „Collegium von sieben Canonicis“. Diese Stiftung bestätigte am 7. Juli 1409 der Papst Alexander V.[WS 2] und befreite diese Kirche von aller Botmäßigkeit und Gewalt des „Domkapituls“ zu Meißen, „wie auch des Archidiaconus des Ortes und ordentlichen Richters dergestalt“, daß sie allein dem Bischofe zu Meißen und seinen Nachfolgern unmittelbar unterworfen sein sollte. Die neue Kirche wurde der heiligen Barbara gewidmet, wie aus einem Dokumente vom Jahre 1470 zu ersehen ist. Barbara war eine Heilige und Märtyrerin. Nach der Legende wurde sie in Nicomedia in Kleinasien geboren. Da sie Christin geworden, sperrte sie der Vater in einen Turm. Auf des Vaters Geheiß ward Barbara alsdann, da sie trotzdem Christin blieb, von dem Prokonsul Marianus verstümmelt und schließlich von ihrem eigenen Vater um’s Jahr 240 (nach anderen Berichten 306) enthauptet, den aber zur Strafe dafür der Blitz traf. Barbaras Gedächtnistag ist der 4. Dezember, weshalb einst an diesem Tage eines jeden Jahres in der Schloßkapelle zu Stolpen ein großes Fest gefeiert wurde. Sankt Barbara ist die Schutzpatronin der Krieger, insbesondere der Artilleristen, auch wird sie zum Schutze gegen das Gewitter angerufen. In der bildenden Kunst wird sie mit einem Turme, der drei Fenster hat (Symbol der Dreieinigkeit), mit Kanonenläufen, mit Palme und Monstranz, beziehentlich Kelch, abgebildet. –

Die Schloßkapelle zu Stolpen hatte mehrere Altäre. Der „Hohe Altar“ oder der Hochaltar war „U. L. Frauen, ingleichen der Sankt Barbara und dem heiligen Erasmus“ geweiht. Die Stifter dieses Altares waren „Bartholomäus Laß und George Heyde, deren Jahresgedächtnis deshalb an gewissen Tagen in der Sankt Barbarakapelle gefeiert ward, wie aus der alten Kirchenordnung, nach welcher der Gottesdienst in der Schloßkapelle eingerichtet gewesen, zu ersehen ist. Später hat Bischof Johann V. von Weißbach[WS 3] diesen Altar im Jahre 1487 „überaus prächtig zieren und vergolden lassen“. Der Chronist beschreibt diesen interessanten Altar in folgenden Worten:

„Es steht dieses schöne Denkmal des Altertums noch heutigen Tages und kann nicht ohne Bewunderung und Vergnügen betrachtet werden. Der untere Teil dieses Altares ist steinern, und man muß auf drei Stufen dazu hinaufsteigen; der obere Teil ist hölzern. In der Mitte dieses Altares, so mit 2 Flügeln, die auf- und zugemacht werden können, versehen ist, stehen drei sauber gearbeitete, hölzerne und stark vergoldete Bildnisse derjenigen Heiligen, denen der Altar gewidmet gewesen. Das mittelste darunter ist das Bildnis der Jungfrau Maria, welche das Jesuskind auf dem linken Arme

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Thimo von Colditz, Bischof von Meißen (1399 bis 1410)
  2. Alexander V., Gegenpapst (1409 bis 1410)
  3. Johann V. von Weißenbach, Bischof von Meißen (1476 bis 1487)
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 138. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_138.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)