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Türen und Fenster, sowie die Dächer. Nur in einem einzigen Hause des Oberdorfes war noch ein Fenster vorhanden. Dieses Haus wurde von zwei Generälen bewohnt. Sämtliche Einwohner dieses Dorfteiles waren geflohen. Einige derselben hielten sich im Niederdorfe auf, die meisten aber draußen im Walde in der Nähe der Torfstiche des Karswaldes und in der Masseney. Hier lagen sie bei Tag und Nacht, bei Regen und Kälte, halb verhungert und teilweise krank. Es wütete zu dieser Zeit unter den Leuten das bösartigste Nervenfieber und raffte in Fischbach allein gegen 100 Personen, also den dritten Teil der damaligen Einwohnerschaft, hinweg. Die am Nervenfieber Erkrankten brachte man „allesamt“ auf dem Hausboden des Pfarrhauses, wo sie wenigstens notdürftigen Schutz gegen Kälte und Nässe hatten, unter.

Mit großer Sehnsucht erwartete man den Aufbruch der Franzosen. Die Geduld der armen Ortsbewohner sollte aber auf eine lange und harte Probe gestellt werden. Erst nach vollen elf Wochen wurde das französische Lager aufgehoben, weil es dann die Franzosen für geraten hielten, den von Harthau und Schmiedefeld her anrückenden Russen, von denen sie durch Kanonenschüsse beunruhigt wurden, aus dem Wege zu gehen. Die Franzosen zogen in der Richtung nach Dresden zu ab. Ihr verlassenes Kriegslager bezogen nun aber die Russen, doch blieben diese nicht lange in Fischbach liegen.

Die Russen zeigten sich während ihrer Anwesenheit auch menschenfreundlicher als die Franzosen und meinten es besonders mit den Kindern gut. Deshalb gingen auch beherzte Knaben fleißig zu ihnen in’s Lager hinaus und brachten den Russen Trinkwasser, woran es diesen sehr mangelte. Dafür erhielten die Kinder regelmäßig ein Stückchen Brot oder Fleisch, was diesen natürlich vortrefflich mundete. Endlich zogen auch die Russen ab, und die in die Wälder der Umgegend geflohenen Dorfbewohner kehrten allmählich zurück. Da galt es nun zunächst, die halbverwüsteten Wohnhäuser wieder in wohnlichen Zustand zu bringen. Jahrzehnte hat es gedauert, ehe der Ort sich erholt hatte. Im ganzen Dorfe war nicht ein Stück Melk- oder Zugvieh zu finden. Zum Ankauf fehlte auch das nötige Geld. Es waren traurige Zeiten!

Da, wo einst das Kriegslager der Franzosen und Russen bei Fischbach aufgeschlagen war, hat man wiederholt beim Ackern und Graben Kugeln, Metallknöpfe, Hufeisen, Waffengegenstände u. dergl. m. aufgefunden. Meist hat man leider diese Fundgegenstände unachtsam beiseite geworfen. –

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Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 075. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_075.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)