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Aus dem grünen Wiesengrunde heben sich kleine, strohbedeckte Hütten empor. Das sind die Häuser von Reinhardtswalde. Das Bächlein plätschert, zu dessen Ufer die Hirsche kommen und trinken. Wer es wagt, zur Mitternachtsstunde in das wüste Dorf zu gehen, dem soll dort noch mancher Spuk begegnen.


19. Nixen beteiligen sich am Tanz im Arnsdorfer Erbgericht.

Die Landstraße, welche die Städte Radeberg und Stolpen miteinander verbindet, wird zwischen Arnsdorf und Wallroda von der Bahnstrecke Pirna–Kamenz gekreuzt. Nördlich vom Bahnübergange führt die Landstraße dammartig durch eine größere Wiesenfläche, an die ein kleines Gehölz stößt. Diese Wiesen wurden ehemals zum größten Teile von Teichen eingenommen. Vor Jahrzehnten sind dieselben jedoch schon trockengelegt und in Wiesen umgewandelt worden, weshalb man diese heute als die Teichwiesen bezeichnet.

Wie die Sage berichtet, waren die ehemaligen Teiche hier von Wasserjungfrauen oder Nixen bewohnt. Das ist aber schon lange, lange her. Drei derselben kamen regelmäßig Sonntags, wenn im Arnsdorfer Erbgericht Tanz abgehalten wurde, in’s Dorf herein und beteiligten sich an dem Vergnügen der Jugend. Ja, sie mischten sich selbst mit unter die tanzenden Paare und versäumten keinen Reigen. Die Nixen waren bildschöne Jungfrauen, hatten goldblondes, lang herabfallendes Haar. Sie trugen meergrüne Kleider, deren Rand unten seltsamerweise stets naß war. Kurz vor 11 Uhr nachts verließen die drei fremden Mädchen, welche niemand kannte, jedesmal gemeinschaftlich den Saal; ja, sie ließen oft plötzlich mitten im Reigen ihre schmucken Tänzer stehen und – verschwanden spurlos. Verblüfft sahen die Burschen den so schnell davoneilenden Tänzerinnen nach.

Jedermann hatte die drei gleichgekleideten, bildschönen und heiteren Mädchen lieb, und zum größten Ärger mancher Dorfschönen tanzten die Burschen nur gar zu oft mit jenen fremden Jungfrauen. Niemand wußte, woher diese drei schönen Mädchen kamen. Doch hatten manche Leute eine dunkle Ahnung.

Einmal war Kirmeß in Arnsdorf. Lustig schwenkten sich die Paare oben in der alten Erbgerichtsschenke. Auch die drei fremden Mädchen hatten sich wiederum eingestellt. Zwei Burschen, die zum Besuch bei Verwandten im Dorfe waren, faßten starke Neigung zu ihnen und boten den schönen Jungfrauen an, sie nach Hause zu begleiten. Die drei Mädchen wiesen aber dieses Anerbieten mit allem Ernste zurück und verbaten sich jede Begleitung. Als die Burschen nun sahen, daß alles Bitten ihrerseits fruchtlos sei, beschlossen sie, den spröden Mädchen heimlich nachzuschleichen. Kaum zeigte die alte Schwarzwälderuhr ¾11 Uhr an, da verschwanden wie gewöhnlich die drei Nixen. Sogleich eilten die zwei Burschen ihnen nach, obgleich sie auch von mehreren alten Leuten ernstlich gewarnt worden waren.

Lange wartete man im Saale auf die Rückkehr der beiden jungen Leute. Doch vergebens! Die Nacht verging, ohne daß die Burschen wiedergekommen wären. Auch der andere Tag verging, aber niemand kam. Da machten die Arnsdorfer Leute sich auf, die Vermißten zu suchen. Nach stundenlangem, vergeblichem Forschen in der Umgegend fand man diese draußen in den Teichen,

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Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 056. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_056.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)