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18. Das wüste Dorf Reinhardtswalde.

Im großen Karswalde, einer umfangreichen Waldung, die sich zwischen den Dörfern Arnsdorf, Kleinwolmsdorf, Dittersbach, Wilschdorf und Fischbach ausbreitet, liegen seit Jahrhunderten die moosbewachsenen Trümmer eines ehemaligen Dorfes, das einst Reinhardtswalde genannt wurde. Dasselbe ward im Hussitenkriege zerstört. Seit jener Zeit liegt Reinhardtswalde wüste. Allgemein bezeichnet man noch heute diese Trümmerstätte mit dem Namen: „Das wüste Dorf“. Oft wurden hier alte Mauersteine, Mauerreste, Kellerräume, behauene Balken, Haken, Eisenbänder, Eisenklammern und dergl. mehr aufgefunden. Auch heute geschieht es nicht selten, daß beim Waldroden an bezeichneter Stelle ähnliche Gegenstände gefunden werden. So fand man beim Bau der Bahnlinie „Arnsdorf–Pirna“, welche den Karswald mitten durchschneidet, in der Nähe des wüsten Dorfes eine hussitische Streitaxt.

Reinhardtswalde dehnte sich von Nordosten nach Südwesten aus. Diese Richtung erkennt man aus dem Laufe eines Bächleins, das jene stillen Waldwiesen durchschlängelt, und an dessen Ufern sich der Ort jedenfalls hinzog, wie aus den Brettern, Balken, Pfosten und Steinen zu schließen ist, die in diesem Wasser aufgefunden worden sind und auch noch gefunden werden. Dieser Graben ist darum wohl als der ehemalige Dorfbach von Reinhardtswalde anzusehen. Derselbe entspringt in der Nähe des Schänkhübels an der Bautzener Straße.

Das verwüstete Dorf Reinhardtswalde war ein gar stattliches Kirchdorf und als solches Filial von Kleinwolmsdorf bei Radeberg. Darum gehören auch die einstigen Reinhardtswalder Grundstücke heute zu Kleinwolmsdorf. Wohl der größte Teil des wüsten Dorfes gehört seit den ältesten Zeiten dem Kleinwolmsdorfer Lehngerichte.

Am erwähnten Bächlein wandern wir aufwärts. Zu beiden Seiten breiten sich einsame Wiesen aus, die vom Walde umrahmt sind. Nach kurzer Wanderung kommen wir in ein kleines, enges, von dunkelm Fichtenwalde überdecktes Tal. Hier war die Mitte des Dorfes, und auf dem Hügel zur rechten Hand stand die Kirche von Reinhardtswalde. Noch heute nennt man diesen Hügel den Kirchberg. Neben der Kirche befand sich der Kirchhof. Vor einigen Jahrzehnten wurde auf dem Kirchberge ein Grabgewölbe entdeckt.

Am oberen Ende dieses anmutigen und walddunkeln Tales lag die Mühle von Reinhardtswalde. Die Dämme der ehemaligen Mühlteiche, die sehr umfangreich gewesen sein müssen, sind noch ganz deutlich zu erkennen. Diese Teiche sind trockengelegt und in Wiesenland umgewandelt worden. Vom alten Wehre sind noch Spuren vorhanden.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 052. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_052.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)