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Jahren wird früher oder später das Deutschtum gegen das immer mehr und mehr überhandnehmende Slaventum sich zu wehren haben. Königsbrück ist noch eine Erinnerung an das mutige Vordringen der Deutschen gegen die fast allmächtig gewordenen Slaven, nicht minder die Burg Meißen. Die Radeberger und Pulsnitzer Gegend sahen blutige Kämpfe Heinrich I. gegen den größten Feind des Germanentums. Mancher Ortsname erinnert an jene deutschen Stämme, die Heinrich der Städtegründer zum Schutze gegen die Sorben und Wenden rief, z. B. Frankenthal bei Bischofswerda. Vom blutigen Hussitenkriege, vom 30jährigen Kriege, vom nordischen Kriege, vom 7jährigen Kriege, von den Freiheitskriegen im Anfange des 19. Jahrhunderts weiß gar mancher Ort in der westlichen Lausitz zu erzählen. – Und wo die Geschichte schweigt, da redet die Sage um so deutlicher. Geradezu reich ist die westliche Lausitz auch an schönen, lieblichen Sagen. Sinnend wandelt Frau Saga durch das Land. Mit ihrem duftenden Gewande hüllt manchen Ort sie ein. Um stolze Burgen schwebt sie. Sie lauscht am Felsenhang und spielt am Waldesbach. Sie thront hoch oben auf Felsensteinen und weilt beim Halmendach. In den stillen Hainen rauscht und flüstert sie. (Ludwig Storch). Die dunklen, oft weit ausgedehnten Waldungen der westlichen Lausitz belebt die Sage mit allerlei Gestalten. In den weiten Forsten, welche meist die Höhen der westlichen Lausitz überziehen und miteinander verbinden, jagt Berndittrich, der wilde Jäger. Wenn die Stürme das Geäst der dunklen Waldbäume durchbrausen und die Wolken am Himmel dahintreiben, dann hält er seinen Jagdumzug in den betreffenden Wäldern. Um die Mittagszeit, aber auch in hellen Mondnächten, eilt durch die Forsten nach dem Volksglauben Dziwica, die wendische Waldgöttin. An Bächen und Seen wohnen noch heute die Nixen. Sie kommen herein in die einsamen Walddörfer und mischen sich unter die tanzende Jugend. In den Bergen hüten noch jetzt Zwerglein die vergrabenen Schätze. An den Berghängen blühen noch gegenwärtig in tiefster Einsamkeit zur Mitternachtsstunde Wunderblumen, mit deren Hilfe man verborgene Türen zu den Schatzkammern in den Bergen finden und öffnen kann. Man rede nur mit dem Großmütterchen drüben im einsamen Dorfe. – Düsteres Gemäuer ist von der Sage lieblich umrankt und mit all ihrem Zauber umsponnen worden, dem immergrünen Epheu der deutschen Volksdichtung.

Die altdeutschen Gottheiten erkennen wir wieder in so mancher Sage, in so mancher Sitte, in so manchem Aberglauben. – Die Sitte des Osterwasserschöpfens finden wir noch heute in manchem Dorfe der westlichen Lausitz, freilich nicht da, wo die eisernen Schienenstränge seit Jahrzehnten eine Gegend durchschneiden und wo die Großstadtluft weht. – An geschichtlichen Denkmälern, die weit bis in die vorchristliche Zeit zurückreichen, ist hier kein Mangel. Dazu haben schöne und sinnige Sagen manchen Ort, Berg, Wald, Fluß und See, ja selbst die einsame, stille Heide, mit einem duftenden Gewande umhüllt. Will der Wanderer freilich davon etwas merken, dann muß er wiederholt rasten und mit den Bewohnern verkehren und plaudern. Der Lausitzer ist bieder und schlicht, treu und mitteilsam, gastfreundlich und beredt. Ihm geht das Herz auf, wenn er fühlt, daß auch der „Fremde“ die Lausitz schön findet.

So bietet die westliche Lausitz, nicht minder auch das übrige östliche Sachsen nicht nur dem Naturfreunde alles das, was er sucht und gern hat, sondern auch der Geschichtsfreund findet hier so manchen kostbaren Schatz, so manche verborgene Perle, wie ihm nunmehr bewiesen werden

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Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 012. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_012.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)