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klappernden Mühlen und rauschenden Bächen, hinauf auf die turmgekrönten und sagenumwobenen Berge der Heimat wandern, doch nicht gedankenlos, wie so manche in unseren Tagen. Dabei kann der Vater der Lehrer seiner Kinder werden, wenn er sie aufmerksam macht auf diese und jene Stätte. Da steht vielleicht mitten im weiten Felde ein sagenumklungener Baum, von dem das Volk sich gar viel zu erzählen weiß. Dort liegt eine einsame Heide. Auf ihr stand einst ein schmuckes Dörflein. Da plätscherten Brunnen und spielten Kinder auf den Straßen. Heute ist es hier einsam still. Kriegsstürme haben dieses Dörfchen dem Erdboden gleichgemacht. In jenem Tale gab es einst Bergwerke. Da wurde das harte Gestein durchwühlt nach Schätzen. Heute sind diese Bergwerke verfallen. Zwerglein in Tarnkappen hüten die in die Tiefe gesunkenen Schätze und bewachen sie vor der Habgier der Menschen. Dort steht am Wege oder am Rande des Waldes ein verwittertes Steinkreuz. Es redet zu dem Wanderer von dem, was einst hier geschah. Wie lauschen dann die Kinder, wenn der Vater an Ort und Stelle von der Vergangenheit der betreffenden Stätte erzählt, wenn er berichtet aus den vergangenen Tagen der Heimat, oder wenn er vielleicht im trauten Familienkreise aus unserem Buche vorliest! Es belebt sich vor der Seele des Kindes die heimatliche Flur, und innige Bande verbinden das Kind mit der Heimat. In ihm wird die Heimatliebe genähret, die den Menschen noch im hohen Alter die alte Heimat lieb und wert macht und zu der es ihn in der Fremde draußen wieder und immer wieder zieht. – Liebe zur trauten Heimat hat dieses Buch geschrieben, und die Liebe zur Heimat zu wecken und zu nähren, das möchte vor allen Dingen vorliegendes Buch erreichen. – Mit allen Fasern des Herzens hängen die meisten Menschen an ihrer Heimat, an der Stätte, wo es noch ein Paradies, einen Garten Eden und ein Erdenglück gibt. Herr Geh. Schulrat Grüllich schreibt: „Unsere Zeit freilich mit ihren Verkehrsverhältnissen und mit ihrer Freizügigkeit entnimmt den Menschen leichter dem heimatlichen Boden, um so mehr ist es aber geboten, in der Jugend schon die Liebe zur Heimat und Achtung vor ihr zu wecken und zu nähren. Es ist wahrlich schlimm, wenn der in die Fremde Gewanderte nichts mehr fühlt von Heimweh, von Sehnsucht nach der Stätte, wo sein Vaterhaus steht und wo er seine glückliche Jugendzeit verlebte. In der Heimatliebe liegt ein sittlicher Halt für den Menschen auch in der Fremde, und sie ist auch der rechte Boden für die Gottes- und Vaterlandsliebe.“ – „Lassen wir die Zerstörungslust beim Kinde, bei der Jugend nicht aufkommen, pflanzen wir ihm Respekt ein vor dem, was eine Geschichte hat.“ (Palmer.) Mit der erwachten Liebe zur Heimat zieht aber auch jenes stille Glück wieder ein in das Herz, die Zufriedenheit, die in unseren Tagen, in der Zeit des Hastens und Jagens, freilich vielen verloren gegangen ist.[1]


  1. Vergl. „Wie ist in den Gemeinden der Sinn für die Geschichte der Heimat zu wecken und zu pflegen?“ von Kantor Störzner, Verlag Arwed Strauch in Leipzig. Illustriert. Preis 20 Pfg.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 006. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_006.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)