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Hauptes den Kindermord. Er öffnet weit den Mund und nickt dazu, streckt den Arm aus und läßt ihn wieder fallen. Zwei Henker stehen vor ihm: der eine leerlaufend mit schneidendem Schwert, ein enthauptetes Kind unterm Arm, der andere, im Begriffe zuzustechen, steht, bis aufs Augenrollen, unbeweglich. Und zwei Mütter dabei: die eine unaufhörlich sacht ihren Kopf schüttelnd wie eine Schwermütige, die andere langsam, flehend die Arme hebend. – Die Nagelung ans Kreuz. Dieses liegt am Boden. Die Schergen schlagen den Nagel ein. Christus nickt. – Christus gekreuzigt, von dem Essigschwamm getränkt, den ihm ein Kriegsknecht langsam, ruckweis reicht und augenblicklich wieder entzieht. Der Heiland hebt dabei ganz wenig das Kinn. Von hinten beugt ein Engel mit dem Kelch für Blut sich übers Kreuz, führt ihn vor und zieht ihn dann, als wäre er gefüllt, zurück. – Der andere Tisch zeigt genrehafte Bilder. Gargantua mit Knödeln. Vor einem Teller schaufelt er mit beiden Händen sie in den Mund, indem er abwechselnd den rechten und den linken Arm hebt. Beide Hände halten je eine Gabel, an der ein Kloß steckt. – Ein spinnendes Alpenfräulein. – Zwei Affen, die Geige spielen. – Ein Zauberer hat zwei tonnenartige Behälter vor sich. Der rechte öffnet sich und daraus taucht mit ihrem Oberkörper eine Dame. Sodann versinkt sie. Es öffnet sich der linke: daraus hebt zu halber Höhe sich ein Männerleib. Von neuem öffnet sich der rechte Behälter und nun steigt da der Schädel eines Bocks mit dem Gesicht der Dame zwischen den Hörnern hervor. Danach hebt es sich links: ein Affe stellt sich statt des Mannes dar. Sodann geht alles wieder von vorne an. – Ein anderer Zauberer: er hat vor sich einen Tisch und hält je einen umgekehrten Becher in der rechten und linken Hand. Darunter erscheinen, wie er abwechselnd den einen

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Walter Benjamin: Einbahnstrasse. Rowohlt, Berlin 1928, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Walter_Benjamin_Einbahnstrasse.pdf/59&oldid=- (Version vom 12.6.2018)