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Zahnräder, Zangen und kleinste Schräubchen auf ein Schild gemalt, das wie eine Vorlage aus veralteten Kindermalbüchern aussieht. Mit solchen Bildern ist die Stadt durchsetzt: gestellt wie aus Schubladen. Dazwischen aber ragen viel hohe festungsartige, todtraurige Gebäude heraus, die alle Schrecken des Zarismus wachrufen.

UNVERKÄUFLICH. Mechanisches Kabinett auf dem Jahrmarkt zu Lucca. In einem langgestreckten symmetrisch geteilten Zelt ist die Ausstellung untergebracht. Einige Stufen führen herauf. Das Aushängeschild vertritt ein Tisch mit einigen unbeweglichen Puppen. Durch die rechte Öffnung betritt man das Zelt, durch die linke verläßt man es wieder. Im hellen Innenraume ziehen zwei Tische sich in die Tiefe. Sie stoßen an der inneren Längskante zusammen, sodaß nur ein schmaler Raum für den Umgang bleibt. Beide Tische sind niedrig und glasgedeckt. Auf ihnen stehen die Puppen (zwanzig bis fünfundzwanzig Zentimeter hoch im Durchschnitt), während in ihrem unteren verdeckten Teile das Uhrwerk, das die Puppen treibt, vernehmbar tickt. Ein kleiner Tritt für Kinder läuft an den Kanten der Tische entlang. An den Wänden sind Zerrspiegel. – Dem Eingang zunächst sieht man Fürstlichkeiten. Jede macht irgendeine Bewegung: die eine mit dem rechten oder linken Arm eine weitausholende einladende Geste, die anderen eine Schwenkung der gläsernen Blicke; manche rollen die Augen und rühren die Arme zu gleicher Zeit. Franz Joseph, Pio IX., thronend und flankiert von zwei Kardinälen, die Königin Elena von Italien, die Sultanin, Wilhelm I. zu Pferde, Napoleon III. klein und kleiner noch Vittorio Emmanuele als Kronprinz stehen da. Biblische Figurinen folgen, darauf die Passion. Herodes befiehlt mit sehr mannigfachen Bewegungen des

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Walter Benjamin: Einbahnstrasse. Rowohlt, Berlin 1928, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Walter_Benjamin_Einbahnstrasse.pdf/58&oldid=- (Version vom 9.6.2018)