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III. Das Kunstwerk ist ein Meisterstück. Das Dokument dient als Lehrstück.
IV. Am Kunstwerk lernen Künstler das Metier. Vor Dokumenten wird ein Publikum erzogen.
V. Kunstwerke stehen eins dem andern fern durch Vollendung. Im Stofflichen kommunizieren alle Dokumente.
VI. Inhalt und Form sind im Kunstwerk eins: Gehalt. In Dokumenten herrscht durchaus der Stoff.
VII. Gehalt ist das Erprobte. Stoff ist das Geträumte.
VIII. Im Kunstwerk ist der Stoff ein Ballast, den die Betrachtung abwirft. Je tiefer man sich in ein Dokument verliert, desto dichter: Stoff.
IX. Im Kunstwerk ist das Formgesetz zentral. Ins Dokument sind Formen nur versprengt.
X. Das Kunstwerk ist synthetisch: Kraftzentrale. Die Fruchtbarkeit des Dokuments will: Analyse.
XI. Im wiederholten Anblick steigert sich ein Kunstwerk. Ein Dokument bewältigt nur durch Überraschung.
XII. Die Männlichkeit der Werke ist im Angriff. Dem Dokument ist seine Unschuld eine Deckung.
XIII. Der Künstler geht auf die Eroberung von Gehalten. Der primitive Mensch verschanzt sich hinter Stoffen.

Empfohlene Zitierweise:
Walter Benjamin: Einbahnstrasse. Rowohlt, Berlin 1928, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Walter_Benjamin_Einbahnstrasse.pdf/32&oldid=- (Version vom 9.10.2018)