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Girfalk. Die Neukirchlichen erleben arge Schmach durch Peter Frauenberger, einst ihren Leutpriester zu St. Alban, der jetzt wegen Ehebruchs ans Halseisen gestellt und aus der Stadt gepeitscht wird. Innerhalb der vier Wände aber ereignen sich Szenen wie der Disput des Doktors Alexander Sytz, des Antoni de Insula u. A. im Scherhaus am Fischmarkt über Christus und die Jungfrau Maria, oder jener tolle Abend bei Amerbach, da Ökolampad mit seinem Schwabendeutsch und seinen Gebärden karikiert wird und einer der Gäste, ein Student, diesen Spaß in Versen feiert.

Im Bilde Ökolampads konzentriert sich für uns Vieles, was diese Zeit bewegte. Er hatte seinen Verkehr mit den Freunden in Zürich und Straßburg; auch die neugewonnenen schlesischen Gesinnungsgenossen aus dem Kreise Schwenkfelds bereiteten ihm Freude; er genoß des Glückes reichlicher Arbeit. Aber daneben auch welche Mühen! Die dogmatischen Kämpfe gegen die schwäbischen Prediger und zumal gegen den „furibunden“ Luther. Wie Marius und Pelargus als die extremen Haupttreiber der Päpstler ihm in Basel zu tun gaben, so hier in anderer Weise die Anabaptisten. In guten Momenten sah er die „den Feinden Gottes furchtbare“ Entscheidungsstunde schon nahe. Aber öfter noch hatte er Depressionen und meinte, daß seine Sache gar keine Fortschritte mache. Da klagte er über die Verzagtheit, die Kleinmütigkeit um ihn her; aber wie wenig hinreißend war er selbst! „Wir kleben noch immer an derselben Stelle im Dreck“, konnte er sagen; die Ratserneuerung im Sommer hatte keineswegs die gehoffte Änderung gebracht.

Auch Briefe Bertschis lassen uns erkennen, wie trüb und zweifelhaft, trotz allen Erfolgen, den ungeduldigen evangelischen Führern der Stand ihrer Sache erschien.

Klarer urteilte Erasmus. Er sah voraus, daß nach Kurzem der Unwille des Volkes sich in wildem Sturm entladen werde.


Am vierten Advent-Sonntag, 20. Dezember 1528, wurden bei den Zunftfronfastenbotten die alten Volksbegehren aufs Neue laut. In dem Sinne, daß man sich diesmal nicht, wie schon allzu oft geschehen, zum Weitergewährenlassen bequemen werde. Vielmehr sollten diese in den verschiedenen Zunftstuben zugleich geführten Diskussionen jetzt der Anfang einheitlichen, entschlossenen und nicht mehr abbrechenden Handelns sein.

Demzufolge sammelten sich am nächsten Mittwoch, 23. Dezember nachts, Vertreter des evangelischen Volkes im Gartnernzunfthause, zur Gutheißung einer dem Rat einzugebenden Supplikation. Während des Redens und

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 502. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/523&oldid=- (Version vom 1.8.2018)