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Kirche war deswegen, weil ein großer Teil des Kirchengutes auf Meßstiftungen ruhte, ein großer Teil des Klerus von Meßstiftungen lebte.

Diesem Allem gemäß war die Kraft und Leidenschaft des Kampfes, der nun über die Messe geführt wurde. Nähere Nachrichten fehlen. Aber deutliches Zeugnis ist das Verfahren des Rates. Dieser beschloß am 16. Mai 1527, daß die sämtlichen Predikanten der Stadt, von der einen wie von der andern Seite, binnen Monatsfrist ihre Haltung zur Messe aus der Heiligen Schrift begründen sollten; am 21. Mai beschied er sie Alle vor sich und notifizierte ihnen den Befehl.

Unter allen kirchenobrigkeitlichen Akten, die sich der Rat je gestattet, war dieser Beschluß wohl der stärkste. In der Tat erhoben Bischof und Domkapitel sofort Einsprache. Aber der Rat erklärte sich für kompetent. „Jeder in Verkündung des göttlichen Wortes der Bürgerschaft Vorgesetzte sei seiner Lehre Grund und Ursache anzuzeigen schuldig.“ Er war des Glaubens, bisheriger Disputationsmethode gemäß, mittelst eines solchen Schriftenwechsels zu einem Zustande friedlichen Vertragens und Lebens zu gelangen.

Einen eigenen Entscheid in der Sache selbst zu treffen, war nicht Absicht des Rates. Aber wie dann die Parteischriften eingingen, erkannte er, im Glauben an die Möglichkeit einer Verständigung sich geirrt zu haben. Verantwortungsschriften wurden ihm eingegeben Namens der Kirche durch den Münsterprediger Marius, Namens der Reformpartei durch Ökolampad. Sie lauteten so entschieden und waren inhaltlich so unvereinbar, daß der Rat die Sache fallen lassen mußte; er verwies die Streitenden an ein künftiges allgemeines Konzil.

Daß dann Marius und Ökolampad sowie Pelargus die dem Rat eingereichten Schriften und Gegenschriften im Drucke veröffentlichten, lag im Interesse der Parteien und entsprach der großen Bedeutung des Streites.

Der Rat aber erließ eine dem tatsächlichen Zustand angepaßte Zwischenordnung. Durch Mandat vom 23. September 1527 verkündete er, daß hinfort Niemand gezwungen werden solle, Messe zu halten oder Messe zu hören. Nur der eine Vorbehalt wurde hiebei gemacht, daß ein Bepfründeter, der nicht Messe halte, dementsprechend seine Pfründe verlieren solle, mit Ausnahme der Geistlichen zu St. Martin und zu den Augustinern sowie derjenigen Herren zu St. Leonhard, die schon vor dieser Erkanntnis nicht Messe gelesen hätten.

Ein Grundsatz war damit ausgesprochen, der allgemeine Geltung haben sollte. Nur für die drei Kirchen der Evangelischen in der Stadt wurde mit

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 488. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/509&oldid=- (Version vom 1.8.2018)