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Aber wir haben uns überhaupt klar zu machen, daß diese Basler Kirchensache im Rahmen allgemeiner Bewegungen und Ereignisse stand. Es war die Zeit nicht nur der Entzweiung in der Eidgenossenschaft, sondern auch die Zeit anhaltender Kriegsgerüchte, des gewaltigen Wachstums der Kräfte Österreichs, des ferdinandeischen Ediktes wider Lutheraner Ökolampadianer und andre Ketzer, des durch die Einen als Unglück der Menschheit beklagten und durch die Andern mit triumphierender Freude begrüßten sacco di Roma. Was in Basel geschah, verflocht sich mit dem allgemeinen Geschehen und hatte doch die stärksten Lokalfarben.


Gestritten wurde in allen Formen, vom dogmatischen Diskurse bis zur persönlichen Verunglimpfung. Das Verkünden des Wortes Gottes entartete zu einem Zanken auf allen Kanzeln der Stadt; Augustinus Marius hetzte in seinen Dompredigten, und die evangelischen Geistlichen ließen sich zu Beleidigungen des neugewählten Bischofs Philipp hinreißen. Und nun brachte die Zeit aus der Menge der Kontroversen ein Kernstück an die Oberfläche und machte es zum Hauptkampfobjekte: die Messe.

Schon frühe war durch Luther das Opfer der Messe als dem Wesen des Evangeliums widersprechend bezeichnet worden. Wie dann in den evangelischen Gemeinschaften Basels wenigstens der Meßritus geändert wurde, haben wir vernommen. Jetzt sollte die Messe selbst fallen. Das Beispiel der Predikanten Imelin und Frauenberger, die wegen Unterlassung des Meßopfers ihre Stellen verloren hatten, schreckte nicht. Und wenn noch im Jahre 1525 da und dort im evangelischen Basel die Messe gefeiert wurde, was Pierre Toussain nicht begreifen konnte und tadelte, so kam es jedenfalls seit 1526 zu St. Martin, bei den Augustinern, im Spital und zu St. Leonhard zu keiner Meßfeier mehr.

Ein wie Großes und Eindrückliches dieses Beseitigen der Messe war, verstehen wir im Gedanken daran, was die Messe im alten Kirchenwesen bedeutete. Sie umschloß im geheimnisvollen Reichtum ihrer Liturgie, der den Gläubigen die Gegenwart Gottes erleben ließ und ihm das Opfer Christi vermittelte, den Hauptinhalt gottesdienstlichen Lebens. Sie war, wie Niklaus Manuel sagt, „der stein im pfulment“. Welcher Auffassung gegenüber die evangelische Lehre dahin ging, daß die Messe mit dem Worte Gottes nicht bestehen möge und der Ehre Christi zu nahe trete, mithin eine Lästerung und ein Greuel wider Gott sei. Wir übersehen außerdem nicht, daß die Messe nicht nur zum Allerheiligsten des alten Sakralwesens gehörte, sondern auch von hoher wirtschaftlicher Bedeutung für die

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 487. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/508&oldid=- (Version vom 1.8.2018)